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BAG Hartz IV

Eine offene und ehrliche Bilanz der linken Erwerbslosenpolitik ziehen

Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV der Partei DIE LINKE zur Strategiekonferenz

Vorwort

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV empfindet Teile des Anschreibens, und verschiedene Fragestellungen zur Strategiekonferenz als manipulativ. Hier soll augenscheinlich durch das Anschreiben eine Lenkungswirkung ausgeübt werden, damit die Debatte in den gewünschten Bahnen verläuft. Augenscheinlich ist in unserer Partei eine offene und ehrliche Selbstreflexion nicht gewünscht, sondern man möchte nach dem Modell, Friede, Freude, Eierkuchen vorgehen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV wird sich daran nicht beteiligen, sondern offen und ehrlich eine Bilanz der linken Erwerbslosenpolitik der letzten Jahre ziehen.

Da der Text, nur maximal 10.000 Zeichen lang sein soll, werden wir uns auf die Beantwortung einiger Fragen beschränken.

Frage 1: Aktueller gesellschaftlicher Umbruch

Wir sehen hier keinen aktuellen gesellschaftlichen Umbruch, sondern die Auswirkungen der Agenda 2010 und der Hartz IV Gesetzgebung, die mittlerweile die Mitte der Gesellschaft erreicht haben, und auch die Mittelschicht in Angst und Schrecken versetzen. Unsere Partei hat in den letzten Jahren die Bereiche rund um Hartz IV, der Grundsicherung im Alter, sowie der prekären Beschäftigung und des Niedriglohns vernachlässigt. Es wurde vielmehr auf ein „noch“ relativ gutverdienendes, gewerkschaftlich orientiertes und ein „grün-urbanes“ Klientel hin orientiert. Dies rächt sich nun, da wir von immer weniger Erwerbslosen, prekär Beschäftigten, GeringverdienerInnen und Leistungsberechtigten nach dem SGB XII gewählt werden. Unsere Partei muss hier den Fokus neu setzen um unser sozialpolitisches Profil für die unteren 30 - 40 % der Bevölkerung, neu zu schärfen.

Frage 3: Wie setzen wir Veränderungen durch

Viele Ebenen unserer Partei arbeiten nicht miteinander, sondern aneinander vorbei. Auch die Kommunikation und Kooperation der Fraktionen, mit der Partei lässt in weiten Teilen ausgesprochen zu wünschen übrig. Es fehlen Kommunikationswege, AnsprechpartnerInnen, aber auch das Selbstverständnis des Primats der Partei in den Parlamenten. Dies führt dazu, dass Arbeiten entweder gar nicht, oder doppelt und dreifach erledigt werden, da untereinander nicht kommuniziert wird, wer gerade was bearbeitet. Auch werden unserer Meinung nach die Bundesarbeitsgemeinschaften als Fachgremien weder vom Parteivorstand, noch von der Bundestagsfraktion bei Projekten die in ihren Bereich fallen, hinzugezogen. Dies stellt eine Verschwendung von Ressourcen dar, die wir uns bei den begrenzten finanziellen sowie personellen Mitteln unserer Partei nicht leisten können. Wirkliche Veränderungen werden wir nur dann durchsetzen können, wenn ein stärkerer Austausch und eine verbesserte Koordination auf allen Ebenen stattfinden, der auch die Kontakte der einzelnen Mitglieder zu NGOs miteinschließt, damit wir wirklich anfangen mit einer und nicht mit einer Vielzahl von Stimmen zu sprechen.

Frage 5: Rechtsentwicklung und erstarken der extremen Rechten

Es hat in den letzten Jahrzehnten ständig ein Potenzial von ca. 10 % an einer rechten Wählerschaft gegeben. Dieses Potenzial, wurde mal besser, mal schlechter durch die verschiedensten rechten Parteien genutzt und in Wahlerfolge umgesetzt. Das mittlerweile massive Erstarken des sogenannten "rechten Randes", führen wir sowohl auf eine soziale Unzufriedenheit zurück, wie auch auf den Eindruck, dass die Partei DIE LINKE sich etabliert hat, und nicht mehr als Protestpartei oder als Partei "des kleinen Mannes" wahrgenommen wird. Auch werden wir von vielen in den Parlamenten als zu "brav und angepasst" wahrgenommen. Ein Eindruck der nicht ganz unberechtigt ist. Wir werden die "Rechtsentwicklung" nur dann stoppen können, wenn wir wieder als eine Partei wahrgenommen werden, die aufmüpfig, unbequemen und laut ist. Zudem müssen wir die soziale Frage, sowie die jahrelange Enteignung der Hälfte der Bevölkerung, die über kein nennenswertes Vermögen (mehr) verfügt, mit einer "Enteignung" über eine Steuergerechtigkeit und das stoppen der Steuerflucht für Einkommens MillionärInnen, Millionen ErbInnen und Konzernen verbinden. Denn, wer in einem sicheren sozialen Umfeld lebt, keine Abstiegsängste hat, und nicht mit "Neubürgern" um eine Wohnung, einen Arbeitsplatz, oder einen Platz in der Schlange beim Jobcenter kämpfen muss, wird den rechten Rattenfängern nicht auf den Leim gehen.

Frage 7: Kämpfe in den Vordergrund stellen

Eine der unbestrittenen Kernkompetenzen, der Partei DIE LINKE war immer die soziale Frage, sowie eine Friedenspolitik, die diesen Namen auch verdient hat. In nächster Zeit muss hierzu ein sozial-ökologisches linkes Profil kommen, das den ökosozialen Umbau nicht durch die "unteren" 50 % der Bevölkerung bezahlen lässt, sondern hier die Vermögenden und die Konzerne heranzieht, die für den größten Teil des CO2 Ausstoß verantwortlich sind. Hierbei dürfen wir uns nicht scheuen, die Eigentumsfrage zu stellen, denn, im Grundgesetz Art. 14 (2) wird ausgeführt "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Zudem müssen wir uns wieder unserer ehemaligen Kernwählerschaft von Erwerbslosen, GrundsicherungsempfängerInnen, prekär Beschäftigten und GeringverdienerInnen zuwenden, und für diese Gruppen Verbesserungen erwirken. Gelingt uns dies nicht ist abzusehen, dass der "rechte Rand" weiter durch diese Gruppen gestärkt wird. Kämpfe um eine Toilette für das dritte Geschlecht mögen medienwirksam sein, das Kapital jedoch lacht sich hierüber kaputt oder begrüßt diese Kämpfe sogar, da sie nicht nur von der sozialen Frage ablenken, sondern auch überproportional zum Nutzen der Allgemeinheit die knappen Ressourcen unserer Partei in Anspruch nehmen.

Frage 8: gemeinsame Ziele erreichen und Erfolge organisieren

Einiges hierzu ist bereits bei der Frage 3 beantwortet. Solange es uns nicht gelingt, aus der 8-10 % Ecke zu kommen, wird es ausgesprochen schwierig sein Erfolge zu organisieren bzw. zu generieren die "einen Unterschied im Leben ausmachen". Wir möchten hier auch auf den Absatz aus der Beantwortung der Frage 5, mit der Angepasstheit der Partei verweisen, die uns unserer Meinung nach Stimmen kostet, die wir dringend benötigen um Erfolge zu organisieren bzw. zu generieren. Gute Erfahrungen, haben die Mitglieder des SprecherInnenrats der BAG Hartz IV, die auf kommunaler Ebene Sozialberatung durchführen, durch diese Sozialberatung gemacht. Durch die Sozialberatungen werden nicht nur Berührungsängste mit der Partei abgebaut, sondern es kommt auch zu Neueintritten, zu einer Akzeptanz der Partei und einer größeren Bereitschaft DIE LINKE zu wählen.

Frage 9: Pluralität und klares Profil

Die Partei DIE LINKE, war nicht von Anfang an eine plurale Partei, sondern sie hat sich zu dieser entwickelt. Pluralität und klares Profil müssen nicht unvereinbar sein, solange die Themenfelder fachlich gut aufbereitet werden. Tritt man jedoch mit einem schlecht aufbereiteten Themenfeld an die Öffentlichkeit, verschwindet das Profil des Themenfelds, und somit auch das Profil der Partei. Als kleine Partei, haben wir jedoch nur sehr begrenzte Ressourcen, sowohl was die finanziellen Mittel angeht, wie auch die freiwillige Arbeitsbereitschaft unserer Mitglieder. Dementsprechend müssen wir bei der Auswahl der Themenfelder unsere Kernkompetenzen im Auge behalten. Die Unterstützung von Arbeitskämpfen durch die Gewerkschaft, mag eine schöne Sache sein, hier dürfen wir jedoch nicht zu viele Ressourcen einbringen, da der Arbeitskampf, die Aufgabe der Gewerkschaften ist und wir nicht als "Ersatzgewerkschaft" fungieren sollten. Wir sollten unsere Ressourcen zu einem großen Teil dazu verwenden unsere Kernkompetenzen im Bereich der Sozialen Frage sowie der Friedenspolitik in den Vordergrund zu stellen, um diese Kompetenzen weiter auszubauen. Da uns im Bereich des Umweltschutzes keine Kernkompetenz zugesprochen wird, gilt es hier unsere vorhandene Kompetenz schnellstmöglich weiter auszubauen und den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln, dass das stoppen der Klimakatastrophe nur in Verbindung mit der Eigentumsfrage, jedoch nicht, oder nur sehr bedingt, über den persönlichen Verzicht möglich ist.

Frage 12: Mehr Spaß am Widerstand, Versammlungen, Sitzungen, Parteitage etc.

Wir als SprecherInnenrat der BAG Hartz IV leben nicht im luftleeren Raum, sondern sind alle in unseren Kreisverbänden verankert. In den letzten Jahren haben viele von uns erlebt, dass der Zusammenhalt der Genossinnen und Genossen innerhalb der Kreisverbände abgenommen hat. Ein "Parteileben" findet in vielen Kreisverbänden nicht statt, da die Schicht der aktiven Mitglieder immer dünner wird. Dies führt dazu, dass immer weniger Personen immer mehr Arbeit zu verrichten haben. Es hat zwar seit den letzten Bundestagswahlen eine kleine Eintrittswelle von jungen Menschen gegeben, was wir ausgesprochen positiv sehen, jedoch muss sich ein "Neumitglied" erst in bestehende Strukturen einbinden, bzw. eingebunden und angeleitet werden, bevor es Aufgaben übernehmen kann. Dies geschieht leider nicht überall, sodass hier Potenzial verschenkt wird. Viele unserer Sitzungen, sind reine Organisationssitzungen, da die meisten Kreisverbände finanziell nicht in der Lage sind MitarbeiterInnen zu bezahlen, die diese Organisationen durchführen. Natürlich sind organisatorische Entscheidungen auch immer politische Entscheidungen, Spaß machen diese organisatorischen Sitzungen jedoch nicht.

Noch ein paar Worte zu den Bundesparteitagen. Die Bundesparteitage sind in der Regel vollkommen mit Reden der immer gleichen Personen überfrachtet. Auch sind sie von der Zeit her zu lang, es ist den Delegierten kaum zuzumuten, von 9:00 Uhr morgens, bis 23:00 Uhr abends wichtige Entscheidungen zu fällen oder Anträge abzustimmen, die auf drei Antragshefte verteilt sind. Auch ist die Zeit für die Antragsbehandlung immer zu knapp bemessen, sodass viele Anträge nicht durch die Delegierten, sondern durch den Parteivorstand oder durch den Bundesausschuss behandelt werden müssen. Dies kann nicht im Sinne unserer Partei sein, zumindest dann nicht, wenn man das Prinzip, dass die Delegierten das höchste Gremium der Partei darstellen, ernst nimmt.

Mit solidarischen Grüßen

Der SprecherInnenrat der BAG Hartz IV der Partei DIE LINKE

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