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Reimar Pflanz

Eine sozialistische linke Partei muss Opposition sein!

Der Wunsch Regierungspartei zu sein ist im Führungspersonal dieser Partei fest verankert. Gefühlt Jede und Jeder der führenden Linke gibt vor in einem grün-rot-roten Bündnis die Möglichkeit zu sehen, linke Ziele umsetzen zu können. Welche Ziele das sind und warum man überzeugt ist, diese Ziele nur beim Mitregieren erreichen zu können, bleibt häufig im Ungefähren. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es um konkrete Fragestellungen geht.

 

Die Behauptung, dass eine Bundesregierung in Deutschland mit linker Regierungsbeteiligung eine bessere oder auch nur eine gut wahrnehmbare andere Politik machen würde, ist ziemlich verwegen. Es reicht ein kurzer oder auch ein sehr langer Blick auf die Ergebnisse der Politik mit der doch schon recht zahlreichen linken Regierungsbeteiligungen auf Landes- oder Kommunalebene, um zu erkennen, dass eine linke Regierungsbeteiligung bestenfalls plakativ wirksame Aktionen hervorbringt aber essentiell nicht spürbar zu anderen Ergebnissen führen wird als linke Oppositionsarbeit. 

 Als Gegenargument wird letzthin gern der Berliner Mietendeckel oder der Rückkauf von zuvor privatisierten Wohnungsbeständen in der Hauptstadt angeführt. Das soll im Ergebnis wirksame linke Politik sein? Nein! Das ist populistischer Aktionismus, dessen Wirkung schon in wenigen Monaten verpuffen wird. 

 

In Thüringen wird unter Begleitung des erklärten Antikommunisten Gauck zwischen CDU und Linken eine „Projektregierung“ bzw. die Form der Tolerierung einer linksgeführten Minderheitsregierung erörtert. Die Linke als eine die mit allen kann – außer AfD? Ist das die Rolle einer linken Partei, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist? Nein, danke!

 

Ganz offen wird derzeit eine Debatte geführt zwei Taumelnde zu vereinen. Freiwillig. SPD und Linke als neue „linke“ Einheitspartei.  Das wäre in vielerlei Hinsicht sicher konsequent, ist aber hinsichtlich der Erringung von parlamentarischen Mehrheiten kein geschickter Schachzug. Und der Todesstoß für eine vorgeblich sozialistische Partei.

 

Die intensiven Gedankenspiele zur Einheitspartei und die praktische Politik der Linkspartei offenbaren ganz klar:

Die Linkspartei ist eine prokapitalistische Partei. 

Die Linkspartei ist eine Partei des Weges des wirtschaftlichen Wachstums.

Die Linkspartei ist eine Partei, die absolut an die positiven Wirkungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts glaubt, insbesondere der IT und KI.

Die Linkspartei ist eine Partei, die Bauen und Bauen und nochmals Bauen für richtige und effiziente Wohnungs- und Verkehrspolitik hält.

Die Linkspartei ist ohne Expertise und eigene Konzepte plötzlich Klimaschutzpartei, weil es alle sind.

Die Linkspartei ist vielleicht noch eine Umverteilungs- aber keine Systemänderungspartei.

Die Linkspartei ist Partei der Gewerkschaften, die aber nur einen  kleinen Teil der arbeitenden Bevölkerung vertreten.

Die Linkspartei ist Regierungspartei in der spätkapitalistischen Bundesrepublik, getragen und getrieben von extrem ehrgeizigen Parteigewächsen ohne Außenbezug, fest integriert in den demokratiearmen Parteienparlamentarismus und die zugehörige Bürokratie und mit wachsweichen Positionen, wenn es denn opportun scheint.

 

Keine und keiner muss sich etwas vormachen: die angestrebte Regierungsbeteiligung der Linkspartei im Bund setzt zweifelsfrei ein Bekenntnis zur Erfordernis und dem vorgeblich friedenssichernden Wirken der NATO voraus. Es steht zu befürchten, dass die Linkspartei in ihrer derzeitigen Verfassung beim Angebot einer Regierungsbeteiligung dieses Bekenntnis leisten wird. Klare Tendenzen sind in Diskussionen durchaus erkennbar.

Ist die Linkspartei bereit dieses letzte Alleinstellungsmerkmal zu opfern? Ich hoffe nein, befürchte aber ja.

 

Wir leben nicht mehr in den 1970er oder 1980er Jahren. Wir leben in einer globalisierten, extrem schnelllebigen Welt. Die Annahme, dass sozialdemokratische Sozialstaatspolitik des vorigen Jahrhunderts fruchten wird, ist so naiv wie gefährlich. Diese Annahme scheint aber mittlerweile in der gutsituierten und im System fest integrierten Mehrheit der Parteistrategen und führenden Köpfe Konsens zu sein.

 

Die mit wenigen Ausnahmen ständig gleichen führenden Köpfe und die vielen tausend Parteimitglieder, die mittelbar oder unmittelbar mit der Partei ihr täglich Brot verdienen und deren Beharrungsvermögen auf Posten und Pöstchen sind ein sichtbares Zeichen für das innere Erstarren der Partei. 

 

Kurz gesagt: die Linkspartei ist keine sozialistische Partei mehr. Sozialismus ist nur noch Folklore. Die Linkspartei ist eine sozialdemokratische Partei. Die Linkspartei ist als eigenständige Partei nur noch wahrnehmbar, weil sie gezwungenermaßen – nach eigenem Bekennen nicht willentlich- Oppositionspartei ist. 

 

Eine wahrhaft linke, also eine sozialistische Partei hat in einer spätkapitalistischen, lobbygesteuerten parlamentarischen Parteiendemokratie nichts in der Regierung verloren – weder im Land noch im Bund.

Die Annahme, dass eine linke Partei in der Regierung linke Politik machen kann und wird, war und ist falsch.

Eine sozialistische Partei, eine linke Partei muss Opposition sein. Und sie kann starke Opposition sein, wenn sie als eiternder Stachel im Fleisch der Regierungen wirkt und nicht als unansehnlicher aber im Grunde nicht störender Pickel unterm Hemd. 

 

Die Zukunft der Linkspartei muss eine streitbare und nach außen und innen offene debattierfähige sozialistische Partei sein.

 

Das Führungspersonal auf allen Ebenen der Partei bedarf eines regelmäßigen Wechsels. Die Mitglieder sind zum Führungspersonal zu befragen und nicht die berufspolitikerdominierten Parteitage.

 

Die Zukunft der Linkspartei ist die einer Partei, die das System tatsächlich an den Wurzeln ändern will und nicht die einer Partei, die sich mit kosmetischen Korrekturen begnügt. Die Linkspartei der Zukunft ist sich bewusst, dass diese Änderungen innerhalb des bestehenden spätkapitalistischen Staates nicht umsetzbar sind. Sie wird daher starke oder auch mal schwache, auf jeden Fall aber Opposition bleiben wollen. Geht die Linkspartei diesen Weg nicht, ist sie endgültig tot. Und sie ist es auch dann, wenn sie viele Wählerstimmen erringen kann und mitregieren darf. Sie wäre eine Zombie-Partei.

 

Siech und krank, mit der Bürde völlig überflüssiger Prioritätensetzung beladen und Verlierer im Wettbewerb mit den rechtspopulistischen und rechtsextremen Gegnern ist sie schon jetzt. Soll sie es bleiben?

 

Der wichtige Teil in einer parlamentarischen Demokratie ist nicht die Regierung, denn die gibt es in jedem Staat egal ob Monarchie, Diktatur oder Autokratie. Der wichtige Teil der Demokratie ist die Opposition. Wo ist das Problem, das zu verstehen? Wo ist das Problem, das zu leben? 

 

Für eine Linke, die sich klar zur Oppositionsrolle bekennt! Für eine sozialistische Partei!

 

Reimar Pflanz

 

BO Buckow, Märkische Schweiz

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