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Wolfgang Grabowski, Arbeitskreis Frieden der RLS

Für die Strategiedebatte

6 Thesen zur Strategiediskussion

  1. Die Partei Die Linke ist die Partei der Lohnabhängigen und der im neoliberalen Kapitalismus Abgehängten. Sie versteht sich als sozialistische Partei, die konsequent gegen die kapitalistischen Machtverhältnisse ankämpft, für reale, tatsächliche Demokratie und eine Solidargesellschaft steht. Sie bekämpft die profitgetriebene Ellenbogengesellschaft, in der wenige Reiche das Sagen haben und die große Mehrheit des eigenen, wie anderer Völker ausgebeutet wird. Sie versteht sich in der Tradition der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, demokratischer sowie der Antikriegs-und Umweltbewegung. Für sie ist der Kampf gegen die Klimaerwärmung und für soziale Gerechtigkeit untrennbar verbunden.
  2.  Die Linke ist unter den gegenwärtigen Bedingungen die einzige im Bundestag vertretene Protestpartei. Sie hat dieses Alleinstellungsmerkmal, mit der sie noch als PDS und dann nach der Vereinigung mit der WASG Erfolge erzielt hatte, in den letzten Jahren in Frage gestellt. Man müsse nun als gestaltende Kraft agieren, was vielerorts als Regierungsverantwortung gedeutet wurde und Verwirrung gestiftet hat, da die entsprechenden Grundlagen dafür durchgängig nicht gegeben schienen.. Das Profil der Linken wurde unscharf, was an der Wahlurne bestraft wurde. Regierungs-/Verwaltungsverantwortung sind kein Selbstzweck. Sie muss der Bevölkerung dienen und nicht der herrschenden Kaste. Sie muss so auch zum wachsenden Einfluss der Linken beitragen und nicht umgekehrt. Erneut sollte in der Strategiedebatte die Frage gestellt und beantwortet werden, warum man in Regierungsverantwortung nicht auch Oppositionskraft bleiben kann. Wir waren oft zu brav, was als Anpassung an den Mainstream verstanden wurde. „Die sind auch nicht anders als die da oben, als die etablierten Parteien“. Das war Gift für die Linke. Profitiert davon hat vor allem die AfD. Und es wird schwer werden, dieses Etikett los zu werden. Es muss aber entkräftet werden, sonst ist die Auseinandersetzung mit der AfD nicht zu gewinnen. Diese Frage muss ein Hauptgegenstand der strategischen Debatte werden.
  3. Zu den strategischen Fehlleistungen der Linken gehört, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der DDR nicht souverän genug war. Neben den Defiziten, die schließlich zum Untergang der DDR geführt haben, wurde selten über die Leistungen in der DDR, gesprochen, keine Arbeitslosigkeit, Bildung und Kultur für das Volk, medizinische Betreuung ohne Profitstreben, Sozialleistungen für die Bevölkerung, Förderung der Frauen und der Jugend, internationale Solidarität, Einsatz für den Frieden in der Welt u.a . Viele im Osten vermissen dies, nachdem sie nicht die „Blühenden Landschaften“, sondern den realen Kapitalismus mit seiner sozialen Härte und brutalem Profitstreben, dem inhaltsfreien Gelaber vieler Politiker erleben, natürlich auch Angenehmes, wie Reisen, Autos, wenn man denn das Geld dafür hat.
    Bemerkenswert ist, dass die Debatte über die Vergangenheit  zurückgekehrt ist, auch in Massenmedien. Es scheint so, dass die regierenden Eliten ihren Kurs auf Verteufelung der DDR nicht mehr so wie vorher ohne weiteres durchziehen können. Wirtschaftsminister Tiefensee in Thüringen hält nichts von der Wiederbelebung einer Diskussion über Begriffe, wie „Unrechtsstaat“ oder „Diktatur“.  Stattdessen fordert er „Streit über entwertete Biografien, prekäre Arbeitsverhältnisse, geringen Lohn, drohende Altersarmut, fehlende Großunternehmen, zu wenig Ostdeutsche in Führungsetagen. Im  Osten hat sich der Frust über die arrogante, gar kriminelle Behandlung (Treuhand), die Demütigung verfestigt. Viele fühlen sich als Deutsche zweiter Klasse  (Daniela Dahn, „Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit – eine Abrechnung“). Die AfD konnte auch in dieser Frage wildern und den Funktionseliten das Leben schwer machen. Ein wichtiger Beitrag in dieser Auseinandersetzung könnte sein, dass die starken und die schwachen Seiten beider Systeme in Deutschland gründlich und nicht einseitig analysiert werden, um daraus für die Zukunft nachzudenken.
  4. Marx analysierte  -wie bekannt – intensiv geopolitische Entwicklungen, internationale Politik. Die Strategiedebatte sollte dazu führen, dass Die Linke dem mehr Aufmerksamkeit schenkt. Wir haben nicht wenig Kraft, um das zu leisten, im PV, in der Bundestagsfraktion, in der RLS und ihren Auslandsvertretungen und deren vielen qualifizierten Partnern, gemeinsam mit vielen progressiven Wissenschaftlern in aller Welt. Wenn man das bündeln könnte, wäre viel für sichere Analyse als Handlungsanleitung erreicht.
    Viele Menschen sorgen sich um den Frieden. Wird es gelingen einen großen Krieg zu verhindern? Diese Frage wird oft in Diskussionsveranstaltungen gestellt. Und man will die Hintergründe erkennen. Wer ist warum Kriegstreiber? Wird Trump uns alle ins Unglück bringen für sein „America first“? Wer ist schuld an der gefährlichen Zuspitzung der internationalen Lage?
    Der Parteivorstand hat eine inhaltsvolle Friedenskonferenz organisiert. Und das war gut so. Aber sind wir damit durchgedrungen? Blieb es nicht eine Kammerveranstaltung unter mehr oder weniger Gleichgesinnten, wo eine politische Popveranstaltung in einem Stadion dem Anliegen entsprochen hätte? Aber das will mit mühevollen Anstrengungen vieler auf den Weg gebracht werden und alle ansprechen, die gegen den Krieg sind. Hier könnte eine neue Bewegung nachhaltig wachsen.  Oft begegnet man der Frage, ob es eine Gegenkraft gegen den Wahnsinn gibt, eine Stimme der Vernunft. Da wäre in erster Linie an die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit zu denken, die fast die Hälfte der Menschheit repräsentiert. Ihr letztes Gipfeltreffen fand zur gleichen Zeit, wie der Leipziger Parteitag statt. Und es wäre sinnvoll gewesen, wenn dieser sich dazu verhalten hätte. Denn, verhandelt wurden auf dem Gipfel grundlegende Entwicklungen in der Welt nach dem Amtsantritt von Trump, Zukunftsvorstellungen für eine gesunde und demokratische Weltentwicklung ohne Sanktionen und Konfrontation.  Es geht um eine multipolare Welt, die auf friedlicher Koexistenz des Interessenausgleichs beruht. Die SOZ ist Ausdruck grundsätzlicher geostrategischer Veränderungen. Im UN-„Bericht über die menschliche Entwicklung“ für 2013 wurde prognostiziert,dass bis 2020 die Wirtschaftsleistung allein von China, Indien und Brasilien die Gesamtproduktion von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und der USA übersteigen wird. Das sei nicht weniger als eine epochale Verschiebung der globalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse (ND, 15.03.2013). Im Bericht heißt es, dass diese Fortschritte auf eine pragmatische Politik zurückzuführen sind, in der Regierungen proaktiv handeln, statt sich von den Marktkräften das Geschehen diktieren zu lassen. Als besonders zielführend werden entschlossene sozialpolitische Reformen und Investitionen in Menschen vor allem durch die Förderung der Bildungschancen benannt. Der Osten habe sich von der neoliberalen Blaupause verabschiedet und geht eigene Wege. Ein großangelegtes, bisher sehr erfolgreiches Experiment, einschließlich des Jahrhundertprojekts der neuen Seidenstraße, von der der Westen nur träumen kann.
    Mit einem historischen Schritt ist die SOZ in die Weltgeschichte eingetreten. Am Anfang stand die vertraglich geregelte Friedens- und Grenzregelung an einem riesigen, 7.000 km langen Abschnitt. Dort, am Ussuri hatte es einen blutigen Krieg zwischen der Sowjetunion und der VR China gegeben.
    Die Linke nimmt den  Osten/Süden zu wenig zur Kenntnis. Sollten wir aber, und würden einen potenten und immer stärker werdenden Partner im Friedenskampf finden. Es wächst eine Kraft, die dem gefährlichen Streben der USA nach Weltdominanz, dem aggressiven  Vorgehen der NATO Paroli bieten kann. „ Chinas Außenpolitik arbeitet so still wie systematisch auf eine Umgestaltung der internationalen Ordnung hin. Es ist absehbar dass das Zeitalter der westlich dominierten internationalen Institutionen zu Ende gehen wird“ (Sebastian Heilmann, SZ, 09.10.2014). Die Entwicklungen im Osten/Süden sind selbstverständlich nicht per se als links zu verorten. Sie gehören aber in den Fokus linker Analyse. Natürlich ist die nachholende kapitalistische Entwicklung, die Öffnung zum kapitalistischen Weltmarkt nicht zu übersehen, also zu bedenken. Aber eine vereinfachende Gleichsetzung mit dem westlichen neoliberalen Modell als Imperialismen chinesischer, russischer, indischer oder brasilianischer Couleur, wie man nicht selten auch von Linken hört,  die Multipolarisierung der Welt nur als Konkurrenzverhältnis imperialistischer Akteure zu betrachten, ist fraglich und hält einer objektiven, komplexen Analyse, nicht stand, die noch aussteht. Die  Staaten des Osten und Südens formieren sich ausgehend von ihren Interessen, ihrer wachsenden Potenz, ausgehend von den Erfahrungen und Ergebnissen des Zusammenbruchs der Sowjetunion und der Warschauer Vertragsorganisation sowie der Nachwendeentwicklungen. Die Machteliten in China und Russland akzeptieren die Marktwirtschaft, sind aber zugleich der Auffassung, dass die entscheidenden Entwicklungsstränge in der Hand des Staates bleiben, vom Staat gesteuert werden müssen. Und viele der Staatskonzerne, Russlands z.B., weisen eine höhere Effizienz als renommierte westliche privatkapitalistische Unternehmen auf und haben sich in der Krise bewährt (Handelsblatt vom 31.Mai 2010). Das stellt für die Privatisierungsfetischisten im Westen eine zentrale Herausforderung dar. Dies und die beharrliche Einforderung ihrer Eigenständigkeit sind der eigentliche Dorn im Auge der Neoliberalen, der Kern des gegenwärtigen Ost-West Konflikts. Der Osten hat die territoriale Ausdehnung, die natürlichen Reichtümer, die qualifizierten und in 2 Gesellschaftssystemen erfahrenen Bürger, um eigene Wege zu gehen, eigenen Werten zu folgen und auch ihre Interessen durchzusetzen. Nicht zu unterschätzen ist ihre Geschichte des antiimperialistischen Befreiungskampfes, der tiefe Wurzeln hinterlassen hat. Die Erfahrungen mit dem Kolonialismus und dem Rassismus des Westens, die zugefügten Demütigungen, Opfer, Zerstörungen und der Volkskampf dagegen bleiben noch für lange Zeit identitätsstiftend. Der Stolz auf den Sieg über den Faschismus wird in Russland noch lange von fundamentaler Bedeutung bleiben.
    Die Ost- und Südmächte sind auf Grund ihrer Interessenlage und erfolgreichen Entwicklung ein starkes Antikriegsbollwerk. Ob es gefällt oder nicht: von prinzipieller Bedeutung für die strategische Weltlage und den Frieden ist, dass Russland den USA als ebenbürtige Atommacht entgegen treten kann. Das russische Abschreckungspotential ist die entscheidende Barriere für Kriegsabenteurer. Es eröffnet Möglichkeiten für Abrüstung und Entspannung, schärft den Blick für die Realitäten.
    Natürlich wollen sich USA und NATO nicht mit den strategischen Einflusseinbußen abfinden. Deshalb der „Drang nach Osten“, die Destabilisierungsversuche, die Politik des Regime Changes, das Antiraketensystem.
    Die Linke muss sich stärker mit westlicher Aggressivität und Vormachtstreben auseinandersetzen. Sie ist verpflichtet, die Ursachen für die Spannungen und Flüchtlingsströme, für Nationalismus und Neofaschismus zu analysieren und anzuprangern, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung aufzugreifen. Linke Realpolitik hat nur dann eine Chance, wenn dafür breite Initiativen und Bündnisse einstehen.
  5. Es ist notwendig, dass sich Die Linke stärker mit Russland und der Verbesserung der Beziehungen beschäftigen würde. Der absurden und gefährlichen Russophobie ist energisch entgegenzutreten, so wie es die Autoren und Unterzeichner des Appell 60 und der Denkschrift des Willy-Brand-Kreises, dem Vermächtnis von Egon Bahr, niedergeschrieben haben. Leider von uns nicht groß beachtet. „Die Eiszeit“ ist unerträglich, wie Gabrielle Krone-Schmalz vortrefflich in ihrem Buch beschreibt. Oder Horst Teltschik, der Sicherheitsberater von Kohl und Spitzendiplomat während der Verhandlungen über die deutsche Einheit, den 2+4- Vertrag in seinem unlängst erschienenen Buch „Russisches Roulette. Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden“ Eine interessante Lektüre für Linke. Die Linke sollte das Bollwerk für gute Beziehungen sein und Druck auf die Regierung ausüben. Und sie hätte dafür eine gute Grundlage und könnte erfolgreich sein. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will keine Feindschaft mit Russland, trotz des antirussischen propagandistischen Trommelfeuers, das nun schon Jahre dauert und nicht erst seit den Ereignissen um die Krim. Mit dem russischen Thema kann man sogar Wahlen im Osten gewinnen, wie die AfD mit ihrer scheinheiligen prorussischen Wahlkampagne unter Beweis stellt. Wir sollten auch auf diesem Feld die Auseinandersetzung mit der AfD nicht scheuen und Aktivitäten mit den vielen Russischsprachlern, also nicht nur den sogenannten Russlanddeutschen, entfalten,  Bürgergespräche, Wahlveranstaltungen, Straßenfeste mit Pelmeni und Borschtschch, Kinderfeste uä. Noch sind viele aktiv, die in der Sowjetunion studiert oder z.B. an der Trasse der Freundschaft gearbeitet haben. Wir tun zu wenig, um diese zu gewinnen. Die nicht selten auch in der Linken zu beobachtende Ambivalenz im Verhältnis zu Russland, Äquidistanz zu Russland und den USA lädt dazu nicht gerade ein. Gute Beziehungen mit Russland müssen deutsche Staatsräson werden. Dafür sollte sich die Linke stark machen.
  6. Die Linke ist die Partei im Bundestag, die ohne Lug und Trug auskommen und eine authentische, aufrichtige Politik betreiben kann. Kleinliches und egozentrisches Gezänke ist zu überwinden.
    Die Bewegung „Aufstehen“, die viele Linke, hervorragende Intellektuelle, Künstler und Wissenschaftler ermuntert hat, ist nicht zu bekämpfen, sondern aufzugreifen. Die Kontakte zu Linken in der SPD und den Grünen sind zu intensivieren und die Nähe in inhaltlichen Schwerpunkten auszuloten, ohne gleich Regierungskoalitionen ins Auge zu nehmen.
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