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Paul Glier

Mein Beitrag zur Strategiediskussion

Wir müssen uns als sozialistische Partei bekennen und dies auch in unserer Politik und Strategie zum Ausdruck bringen.

 

Der Parteivorstand lädt ein zu einer Strategiekonferenz am 29.2./1.3. und fordert die Mitglieder auf, sich mit ihren Meinungen und Vorschlägen zu Fragen der Strategie unserer Partei einzubringen.  

Die Hinterfragung der Strategie unserer Partei ist vor allem in der Situation, in der sie sich gegenwärtig befindet, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Sie macht jedoch nur Sinn, wenn sie aus dem Selbstverständnis erwächst, dass wir eine sozialistische Partei sein wollen. Die Kernfrage, die eine Strategiekonferenz stellen muss, ist also die, dass wir uns als sozialistische Partei bekennen und dies auch in unserer Politik und Strategie zum Ausdruck bringen.  

Als sozialistische Partei ist unser programmatisches Ziel der Sozialismus. Die Ausrichtung unserer Politik auf dieses programmatische Ziel und auf den Weg dorthin zur Ablösung des Kapitalismus als Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bezeichne ich als Strategie. Und sie ist grundsätzlich. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Doppelstrategie,  die  aber in ihrer Doppelseitigkeit auch eine Einheit bildet. Eine sozialistische Partei, die den Sozialismus will, kann nur für die Beseitigung des Kapitalismus in seiner Ganzheit sein und wenn wir das wollen, dann ist die einzige Alternative der Sozialismus. Was wir also brauchen ist eine Strategie mit programmatischem Anspruch. Um diese Frage muss es in der Diskussion gehen.

Und unsere Strategie muss gleichzeitig auch tauglich (gebrauchsfähig) sein für die Erreichung der Ziele und Aufgaben der Gegenwart und nahen Zukunft. Der Weg zum Ziel ist kein gerader. Er verläuft unter zeitlich und qualitativ unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen, wissenschaftlich-technischen und gesellschaftlichen Verhältnissen und Kräftekonstellationen, auf die unsere Partei reagieren muss und was Teilstrategien notwendig macht, wobei aber immer Endziel und Gesamtstrategie erkennbar bleiben müssen. Auch darum muss es in der Diskussion gehen und um die Auflösung eines scheinbaren Widerspruchs

Die Vorstellung von drei Grundrichtungen einer Strategie unserer Partei. Um zu einer erfolgversprechenden Strategie zu kommen, erscheint mir eine Diskussion über Einflüsse gesellschaftsrelevanter Grundfragen auf unsere Strategie unumgänglich, die aber auch zeigen werden, welcher innerparteilicher Klärungsbedarf dazu noch besteht. 

 

Strategie der Delegitimierung des Kapitalismus als Wirtschafts- und  Gesellschaftssystem.

Kapitalismus ist die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in der wir leben. Und sie herrscht weltweit mit ihren menschenfeindlichen und menschheitsbedrohenden Folgen: Immer wiederkehrende Wirtschafts- und Finanzkrisen mit gewaltigen materiellen und finanziellen Verlusten für die Volkswirtschaft; Massenarbeitslosigkeit für Millionen von Arbeitern und Angestellten auch in Zeiten von Wirtschaftsprosperität; Verarmung und Verelendung von Millionen Menschen in den entwickelten Industrieländern und Milliarden weltweit; rücksichtslose Ausbeutung der Bodenschätze und Schädigung der Natur mit weitreichenden Folgen für das Weltklima; Aufrüstung und Militarisierung der Außenpolitik und Führung von Kriegen zur Sicherung von Rohstoffquellen und mit geostrategischen Zielen; eine billionenfache  staatliche und private Verschuldung weltweit.

Diese Folgen sind systemimmanent. Der Kapitalismus besitzt keine Mittel, um sie auszuschließen.  Sie sind für das System geradezu unverzichtbar. Ohne sie wären der zeitweilige Ausgleich seiner Widersprüche, die Erweiterung seines Einflusses und die Profitmaximierung nicht möglich. Sie sind ebenfalls die ausschlaggebenden Indikatoren für mit diesem System unvermeidbaren wirtschaftlichen-, sozialen- und Umweltkatastrophen von unvorstellbaren Ausmaßen in der weiteren Entwicklung. Das trotz wissenschaftlicher und technologischer Voraussetzungen 1,8 Milliarden Menschen ohne ausreichender Ernährung leben, Millionen an Hunger sterben, hunderte Millionen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung haben, kann nur als moderne Barbarei bezeichnet werden. 

Die  strategische Ausrichtung unserer Politik darf sich deshalb nicht auf eine Kapitalismuskritik beschränken, sondern muss die menschenfeindlichen und menschheitsbedrohenden Folgen auf den Kapitalismus als System in einer Weise beziehen, die eine öffentliche Meinungsbildung fördert, die zu einer Delegitimierung des Kapitalismus als Wirtschafts- und Gesellschaftssystem führt.

 

Die Strategie hin zu einer gesellschaftlichen Gegenmacht.

Eine erfolgreiche Politik und Strategie unserer Partei verlangt, die Frage nach der Macht und Gegenmacht zustellen und zu beantworten. Die Macht des Kapitals und seine Herrschaft über die Gesellschaft bestehen in der Fähigkeit und den Mitteln, seine Ziele und Interessen gegen alle in der Gesellschaft existierenden Gegenkräften letztlich durchzusetzen

Diese Macht ist vielschichtig. Kern ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln und damit die private Aneignung des Mehrwertes als Profit; die kapitalistischen Produktions- und Austauschverhältnisse, die ihre materielle und organisatorische Basis in den Konzernen und Großbetrieben sowie deren marktbeherrschende Stellung haben, die Unternehmens- und Unternehmerverbände als Klassenorganisationen des Kapitals.

Es gehört zur strategischen Ausrichtung unserer Politik deutlich zu machen, wie dieses Machtpotenzial die Kapitalinteressen gegenüber den gesellschaftlichen Organisationen und Organen durchzusetzen versteht und damit dem Kapital die Möglichkeit einräumt, die Herrschaft über die ganze Gesellschaft auszuüben. Das betrifft vor allem die Rolle des Staates.

Die Macht des Kapitals ist eine gesellschaftliche Macht, der nur beizukommen ist durch eine gesellschaftliche Gegenmacht. Das muss eine strategische Ausrichtung unserer Politik deutlich zum Ausdruck bringen. Ihre wichtigste Eigenschaft muss sein, dass sie sich ihrerseits durchsetzen kann. Sie muss die Durchsetzungskraft besitzen,  Macht und Herrschaft des Kapitals über die Gesellschaft zurückzudrängen und einzuschränken und letztendlich zu beseitigen.

Das strategische Ziel dabei ist, die  durch ihre soziale und gesellschaftliche Stellung geeigneten Akteure für eine solche Gegenmacht  populär zu machen und zu aktivieren. Das sind die Bürgerinnen und Bürger, die tagtäglich die Reproduktion ihres Lebens und der Gesellschaft sichern. Das sind die außerparlamentarischen gesellschaftlichen und sozialen Bewegungen und die aus ihnen entstandenen Organisationen, die der gesellschaftlichen Gegenmacht Struktur und Gesicht geben.

 

Strategie der Entwicklung unserer Partei zu einer Bewegungspartei.

Die Linke ist, auch wenn sie sich als sozialistische Partei versteht, eine Partei der parlamentarischen Demokratie. Formal versteht sie sich als Staatsform, real ist sie aber eine Herrschaftsform, die ihren Inhalt durch die bestehende Macht des Kapitals erhält.  Damit ist unsere Partei objektiv Teil des bürgerlichen Herrschaftsgefüges, dessen Ziel und Aufgabe es ist, die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu erhalten.

Damit unterliegen wir objektiv, gleichgültig, ob wir in unserem Selbstverständnis das anders sehen und in unserer Politik auch anders praktizieren, einer Grundfunktion, die dazu beiträgt, die Bürgerinnen und Bürger im System der kapitalistischen Gesellschaftsordnung integriert zu halten. Durch diese Einordnung in die bürgerliche Herrschaftsform der parlamentarischen Demokratie bleibt unsere Partei Gefangener dieses Systems.

Sie erweist sich als unfähig, weder in der Opposition und noch viel weniger in einer Parteienkoalition einen entscheidenden Beitrag für eine wirkliche politische  Wende in der Gegenwart und erst recht nicht für eine Zukunftsgesellschaft zu leisten. Sie wird auf diese Weise, wie alle anderen Parteien der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie als Auslaufmodell enden.

Die einzige Chance, die sie hat, ist ihre strategische Ausrichtung an der Seite der sozialen Bewegungen und einer reformierten Gewerkschaft und im Bündnis mit deren Organisationen sowie selber den Charakter einer Bewegung anzunehmen, ohne ihn als Partei aufzugeben nach der Devise: so viel Partei als nötig, so viel Bewegung als möglich, also eine Bewegungspartei werden.

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