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Katja Kipping

Das Richtige nicht nur sagen, sondern auch umsetzen

Eine LINKE auf der Höhe der Zeit muss mehr wollen, als das Richtige zu sagen – sie muss es auch umsetzen wollen.

Ein Beitrag zum Strategieprozess von Katja Kipping im Parteivorstand am 23. November 2019

 

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde und Freundinnen,

2020 wird ein entscheidendes Jahr. Wann immer die nächste Bundestagswahl kommt, im nächsten Jahr werden Vorentscheidungen getroffen. Für die Gesellschaft, für dieses Land.

[…] Viele Wahlergebnisse waren äußerst knapp und sie zeigen uns, dass nun Integrationsarbeit angesagt ist. In der Vergangenheit ist viel Energie in innere Machtkämpfe geflossen. Nun sollten wir gemeinsam den Schalter umlegen und uns verstärkt den gesellschaftlichen Machtverhältnissen widmen. So gesehen waren die Fraktionswahlen auch ein Weckruf für uns alle!

Nun zu den Bundestagswahlen, auf die wir uns strategisch vorbereiten müssen.
Klar ist: Die bestehende Große Koalition wird die letzte ihrer Art sein. SPD und CDU gleichen zwei Dinosauriern, die versuchen, in der neuen Zeit zu überleben.

Die Schwäche der Sozialdemokratie ist dabei kein Anlass zur Freude für uns. Denn sie verweist auf ein Problem, das uns auch treffen kann. Zwar sind viele soziale Forderungen in der Gesellschaft mehrheitsfähig. Aber gerade viele Entrechtete und Arme bezweifeln, dass diese umgesetzt werden können. Diese Zweifel verstärken ihr Ohnmachtsgefühl. Und diese Ohnmacht spielt den Rechten in die Hände.

Für uns als LINKE kann das nur heißen, dass wir hier liefern müssen. Wir müssen nicht nur Haltung zeigen, sondern glaubwürdig ausstrahlen, dass wir unsere Forderungen auch umsetzen wollen.

Ich möchte das kurz erklären: Linke legen Wert auf eine klare Haltung. Und ohne einen moralischen Kompass und ohne ökonomische Vernunft gibt es definitiv keine gute linke Politik. Zugleich reicht es nicht mehr aus, nur zu sagen was falsch läuft.

Eine LINKE auf der Höhe dieser Zeit muss sich mehr denn je im Marx‘schen Sinne in die  „Kritik im Handgemenge“ begeben. Sie muss mehr wollen, als das Richtige zu sagen – sie muss es auch umsetzen wollen. Ja sie muss Regierung wagen. Aber eben nicht im staatstragenden Sinne, sondern als Regierung in Bewegung.

Wenn wir zurückblicken auf die Wahlen in diesem Jahr bestätigt sich dies. Wir hatten Kommunalwahlen, eine Europawahl, Wahlen in Brandenburg und Sachsen. Vier schmerzende Klatschen, vier schmerzende Niederlagen. Warum? Um es einfach zu machen: Immer da, wo für die Wählenden unsere Funktion unklar ist, wählen uns viele nicht mehr.

Dass es anders geht, zeigen Bremen und Thüringen. Da gab es tatsächlich etwas zu gewinnen. Und zwar nicht nur Mandate für LINKE, sondern tatsächliche Gestaltungsmacht für eine sozialere Stadt und ein sozialeres Land. Da haben wir eine Funktion.

  • Die Bremer LINKE war bei den Leuten, sie hat versprochen, die soziale Spaltung nicht nur anzuklagen, sondern auch zur Überwindung beizutragen.
  • Die Thüringer LINKE hat nicht nur den roten Ministerpräsidenten verteidigt. Sie hat auch gezeigt, dass, wenn erkennbar links regiert wird, links sogar dazugewinnen kann.

Thüringen hat uns übrigens noch eine andere Botschaft mitgegeben: Erstmals seit der Wende haben im Osten die Parteien der Bonner Republik keine Mehrheit mehr. Das  ist ein Fingerzeig auf eine möglichweise künftig veränderte politische Landschaft auch im Bund: Das Ende der Dinosaurier CDU und SPD.

Klar ist: Angela Merkel geht. Wer kommt, ist offen. Wir wissen noch nicht, wen die CDU aufstellen wird.  Wir wissen auch noch nicht, wie die SPD sich letztlich entscheidet. Aber wir wissen schon jetzt, dass diese verknautschte Große Koalition der alten Bundesrepublik vorbei ist.

Für uns als LINKE heißt das, dass wir uns jetzt so aufstellen müssen, dass wir tatsächlich eine Alternative umsetzen wollen. Und das heißt erstens, dass wir auf gesellschaftlichen Druck durch Bewegungen und Streiks setzen und zweitens, dass wir auch eine linke Regierung wollen.

Noch eine Bemerkung zu den Grünen: Sie sind ja für manche von uns so etwas wie ein Lieblingsfeind. Und wir werfen ihnen gerne ihre vermeintliche oder tatsächliche Bürgerlichkeit vor. Ob Grüne nun „links“ oder „bürgerlich“ sind, halte ich für eine sinnfreie Auseinandersetzung. Grüne sind vor allem grün und LINKE sind vor allem links. Eine grüne Partei muss ihre grünen Ziele vertreten, so wie eine linke Partei ihre linken Ziele vertritt.

Wenn also die Grünen auf ihrem Parteitag beschlossen haben, beim Mindestlohn, in der Mietenfrage wie bei der Schuldenbremse linke Themen aufzugreifen, so ist das gut. Es ist gut, weil damit eine Sache klarer wird:

  • All diese sozialen Alternativen wird es mit der CDU niemals geben. Alle sozialpolitischen Forderungen der Grünen kann es nur mit einer LINKEN in der Regierung geben.
  • Das gleiche gilt für die SPD. Nur in einer linken Regierung wird die SPD das umsetzen können, was die CDU in der Großen Koalition blockiert.

Nur in einer progressiven Regierung mit der LINKEN wird die SPD eine sozialdemokratische Politik und werden die Grünen eine ökologische Politik machen können.
Nur mit der LINKEN ist eine sozial-ökonomische Wende möglich.

Das autoritäre Projekt der Rechten lässt sich nur mit einer anderen Wirtschaftspolitik besiegen. Weil nur diese wirklich etwas gegen Klimakrise, soziale Spaltung, Demokratieabbau und militärische Eskalationen bewirkt. Das heißt: Es gilt, der entfesselten Ökonomie mit einer neuen Idee des Wirtschaftens entgegenzutreten: Mit einer Ökonomie des Gemeinsamen, die auf Demokratisierung der Wirtschaft setzt und die gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie bei Commons, Kooperativen und Genossenschaften fördert.

Bei der sozial-ökonomischen Wende geht es um mehr und um weniger als Kapitalismuskritik. Um weniger, weil die konkreten Schritte notwendigerweise unter dem Anspruch seiner Überwindung bleiben werden. Und um mehr, weil diese Reformen Teil eines Prozesses zur Stärkung von Produktions- und Eigentumsformen sind, die über den Kapitalismus hinausweisen und ein postkapitalistisches Morgen ermöglichen.

Nur mit neuen linken Mehrheiten ist so eine radikale Reformpolitik möglich. Und das erfordert eine starke LINKE. Wer eine sozial-ökologische Wende will, muss auf eine starke LINKE setzen.

Die sozialen Bewegungen erwarten längst, dass wir das umsetzen. Ob Mieterinitiativen, campact, Seenotrettung oder Fridays for future. Sie alle sagen: Die Probleme sind so dringlich: Aus linken Ideen müssen deshalb auch Lösungen werden. Gerade den Bewegungen reicht es nicht, wenn wir bei Demos mit ihnen hinter den richtigen Transpis herlaufen. Sie erwarten, dass wir die Möglichkeiten einer Partei ausschöpfen, dass wir die Möglichkeiten von Amtsmacht ausdehnen und nutzen und dabei immer wieder auch nach links verschieben, was machbar ist. Und natürlich werden sie jede Regierung dabei kritisch begleiten, von ihr mehr fordern. Und das ist auch richtig so.

Denn der Mietendeckel in Berlin zeigt: Erst im Zusammenspiel von couragierten Bewegungen und LINKEN in der Regierung gelingt sozialer Fortschritt, bei dem es dem Kapital so richtig ans Leder geht.

Die nächste Bundestagswahl entscheidet über die mittelfristige Zukunft unseres Landes. In dem Strategieprozess werbe ich deshalb für eine LINKE, die selbstbewusst, geeint, mit Mut sagt: Wir gehen mittenrein und wir entscheiden mit und wollen regieren. Nicht als Selbstzweck, sondern um

  • alle garantiert vor Armut zu schützen,
  • die Mitte besser zu stellen,
  • das Öffentliche zu stärken und
  • mit Klimaschutz und Friedenspolitik dafür zu sorgen, dass dieser Planet eine Zukunft hat.

 

 

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