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SprecherInnenrat der Sozialistischen Linken

DIE LINKE als populäre soziale und linke Alternative

In der strategischen Diskussion müssen wir versuchen, Antworten auf einige brennende Fragen zu finden. Wie kann die LINKE ein klares Profil als kapitalismuskritische, gesellschaftsverändernde Kraft entwickeln, die sowohl klassische Industrieregionen als auch urbane Zentren und ländliche Räume erreicht? Wie kann verbindende Klassenpolitik nicht nur postuliert, sondern auch umgesetzt werden? Wie kann der Aufstieg des Rechtspopulismus gestoppt und neonazistische Gewalt in die Schranken gewiesen werden? Welche Rolle spielt eine populäre Ansprache? Welche konkreten Politikansätze haben wir für die verschieden Ebenen – global, EU, Nationalstaat – der Politik?

Massen- statt nur Bewegungspartei

Positionen und Strategien, mit denen man in „Szenevierteln“ wie Connewitz, St. Pauli, Friedrichshain-Kreuzberg oder Nord-Neukölln erfolgreich sein mag, lassen sich nicht in den ländlichen Raum und klassische Industrieregionen übertragen, ja nicht einmal in andere Stadtviertel Leipzigs, Hamburgs oder Berlins. Wir sind uns einig, dass DIE LINKE keine Partei sein darf, die für Rassisten attraktiv ist. Ebenso muss aber klar sein, dass sie nicht nur für Aktivisten aus der Frauen- oder Ökologiebewegung, der Antifa oder Flüchtlingssolidarität attraktiv und wählbar sein darf, übrigens ebenso nicht nur für Sozialistinnen und Sozialisten. Und so sehr wir unsere Mitglieder und Funktionsträger ermuntern sollten, an sozialen Kämpfen teilzunehmen und in Bewegungen und Organisationen jenseits der Partei aktiv zu sein – wir sollten uns bewusst sein, dass nur eine kleine Minderheit in Bewegungen aktiv ist. Die meisten Menschen, die wir erreichen müssen, haben mit ihren täglichen Sorgen (Geld und Job, Schule, Kita, Einkaufsmöglichkeiten, Wohnen, Verkehrssituation) genug zu tun und wenn überhaupt, entwickeln sie entlang ihrer alltäglichen Probleme auch gesellschaftspolitische Aktivität.

Darum greift bei aller Notwendigkeit der Verankerung in Bewegungen die Fixierung auf diese zu kurz. Auch das immer „zuspitzen und Konflikte schüren und weitertreiben“ muss in nachvollziehbaren Grenzen bleiben – irgendwo ist immer der Punkt, wo immer mehr Leute finden, jetzt übertreiben sie es aber. Unser Leitbild muss vielmehr (wieder) sein, eine linke Massenpartei zu werden. Bei der Mitgliedergewinnung sind dazu v.a. Beteiligungsangebote für die breite Bevölkerung nötig, die niedrigschwellig und alltagskompatibel sind, so dass auch Menschen sich sinnvoll einbringen und mitwirken können, die im Berufs- und Familienleben stehen. Zudem wäre eine Parteikultur zu entwickeln, die statt akademischer Debatten und „Sitzungssozialismus“ den Aspekt der Geselligkeit stärkt. Je mehr Mitglieder DIE LINKE hat und je klarer die gemeinsamen Botschaften sind, desto mehr Menschen wird sie auch darüber hinaus erreichen können. Dennoch wird es auch künftig so sein, dass der Großteil der Menschen von der LINKEN (wie von den anderen Parteien) nur über die Medien etwas mitbekommen wird, wobei neben den traditionellen Massenmedien die sozialen Netzwerke immer wichtiger werden und von der Partei wirkungsvoller genutzt werden müssen.

Den Kampf gegen Rechts besser und anders führen

Der Aufstieg der AfD macht uns Sorgen. Aber wie kann man sie wirksam bekämpfen? Sicher: Wir brauchen „klare Kante“ gegen rechte Demagogen und Funktionäre und sollten rassistischen Sprüchen oder Fake News widersprechen. Gleichzeitig sollten wir im Umgang mit all jenen, die sich durch kulturellen Wandel, Staatsversagen und verstärkte Einwanderung verunsichert fühlen, offener und gesprächsfähiger werden. DIE LINKE braucht eine eigenständige Strategie gegen Rechts, die an den Ursachen ansetzt. Wir müssen die sozialen Verwüstungen durch das Wirken der kapitalistischen Marktkräfte und die damit einhergehende Verunsicherung zum Thema machen. Statt sich vor allem auf einen Kulturkampf „gegen Rechts“ zu konzentrieren, sollten wir die herrschende Politik angreifen, die dem Erstarken der AfD den Boden bereitet hat. Wir sollten an den gemeinsamen Erfahrungen mit Ausbeutung, Benachteiligung und Vernachlässigung ansetzen und versuchen, das Selbstbewusstsein all jener, die von sozialem Abstieg bedroht oder betroffen sind, über gemeinsame Kämpfe für soziale Ziele wieder zu stärken. Erst über den Einsatz und gemeinsame Kämpfe für Verbesserungen des Alltags, um höhere Löhne und Renten, bezahlbare Mieten und mehr soziale Sicherheit wird man der AfD das Wasser abgraben können. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, Protest gegen die AfD sei der LINKEN wichtiger als der Einsatz für die sozialen und anderen Interessen der Menschen.

Rechtspopulisten sind nicht im Aufwind, weil immer mehr Menschen dumm oder moralisch verkommen sind, sondern weil sozialistische Alternativen wenig greifbar und utopistisch erscheinen und linke Tagespolitik weitgehend nur die Probleme verwaltet und kaum spürbare Verbesserungen durchsetzt. Die Parolen von Leuten wie Donald Trump, Boris Johnson, Bolsonaro, Salvini oder Le Pen verfangen nicht nur, weil sie rassistisch sind und auf komplexe Probleme einfache Lösungen (wie den Bau von Mauern) anbieten. Sie finden auch Anhänger, weil sie sich als Gegner einer finanzgetriebenen Globalisierung inszenieren und den Verlust und die Verlagerung von Arbeitsplätzen anprangern. DIE LINKE sollte hier keine offene Flanke bieten, sondern der konzerngesteuerten Globalisierung und der neoliberalen EU die Forderung nach mehr demokratischer Kontrolle entgegensetzen. Dies muss in erster Linie auf nationalstaatlicher Ebene erkämpft werden, da sich hier die Klassenkämpfe überwiegend abspielen - und weil es einen europäischen oder gar globalen Sozialstaat auf absehbare Zeit nicht geben wird.

DIE LINKE braucht einen – radikalen und realistischen – Plan

Wie können wir die wirtschaftliche Globalisierung vernünftig begrenzen und demokratischen, sozialen und ökologischen Regeln unterwerfen und was bedeutet das für unsere Haltung zur EU und ihren neoliberalen Grundstrukturen? Wie gestalten wir einen ökologischen und friedlichen Umbau sozial in einer globalen Wirtschaft, in der große deutsche Konzerne u.a. auf umweltschädliche Produkte wie SUVs, Pestizide, Kraftwerke oder Waffen als „Exportschlager“ setzen? Wie sichern wir die Lebensqualität in ländlichen und vom Strukturwandel ausgelaugten Regionen, wenn Arbeitsplätze und Wertschöpfung sich zunehmend in Metropolen und wirtschaftsstarken Regionen konzentrieren? Auf diese und andere wichtige Fragen müssen wir überzeugende Antworten finden. Dabei schaden uns allzu radikale und abstrakte Forderungen ebenso wie ein opportunistisches bloßes Mitregieren, das sich im Bestehenden einrichtet.

Die Frage lautet nicht, ob wir uns vor allem als „Anwalt der Armen und sozial Abgehängten“ verstehen oder als entschiedene Verfechter von „Menschheitsfragen“ wie dem Klimawandel. DIE LINKE wird erst zu neuer Stärke finden, wenn sie überzeugend vermitteln kann, dass und wie sie die Lösung für beide Fragen verbinden kann.

Wir stehen vor der Aufgabe, unsere bewährten verteilungs-, sozial- und arbeitspolitischen Forderungen mit der wachsenden Sehnsucht nach einer anderen, friedlichen, zukunftsfähigen und sozial gerechten Gesellschaft unter Berücksichtigung der historischen Erfahrungen und des Alltagsbewusstseins der Menschen zu einer greifbaren Vision zu verschmelzen. Wir müssen eine radikale und dabei realistische Alternative formulieren und DIE LINKE als populäre soziale und linke Alternative profilieren – gegen die herrschende ungerechte Politik wie gegen die nationalistische Rechte. Ein in sich stimmiges Gesamtprogramm muss zugespitzt werden mit einer Fokussierung auf Kernorientierungen und -botschaften, die uns ein klares Profil geben und erst kampagnenfähig machen. Im Zentrum sollten folgende Punkte stehen:

  • Sozialstaat und Demokratie schützen und ausbauen! Kapitalistisch geprägte Globalisierung und EU-Integration und ein zunehmend autoritärer Neoliberalismus untergraben Demokratie und Sozialstaat und schwächen die Positionen der Lohnabhängigen. Wir wollen die demokratische Macht und Gestaltungsfähigkeit der Mehrheit stärken und die der Konzerne und der Superreichen zurückdrängen.
  • Frieden und internationale Solidarität! Frieden und eigenständige Entwicklungsmöglichkeiten sind bedroht durch Freihandelsverträge, Militär und Regime-Change-Interventionen, die weltweit freie Bahn für das Kapital und die Dominanz der USA durchsetzen sollen. Wir kämpfen gegen Krieg und für Völkerverständigung und gute Nachbarschaft.
  • Gute Arbeit und sozial-ökologischer Umbau! Solcher Fortschritt kann nur gelingen mit sozialer Gerechtigkeit und einer neuen Qualität gesellschaftlicher und staatlicher Regulierung und Steuerung. Wir brauchen ein großes öffentliches Zukunftsprogramm, das ökologisch verträgliche Alternativen im Verkehr und beim Wohnen, in Industrie und Landwirtschaft aufbaut und fördert und dabei und in sozialen und kulturellen Dienstleistungen Millionen guter neuer Arbeitsplätze schafft. Der Kapitalismus muss durch einen neuen, demokratischen und ökologischen Sozialismus überwunden werden!

DIE LINKE wird dringend gebraucht. Den einfachen Schlüssel zum Erfolg gibt es vermutlich nicht. Nötig wäre eine verbindende Politik und Strategie, die die verschiedenen Flügel der Partei und noch wichtiger die unterschiedlichen Teile der gesellschaftlichen Basis und des WählerInnenpotenzials der LINKEN überzeugt – und auch personell adäquat abbildet. Gemeinsam sind wir stark. Unversöhnliches Gezänk um Pöstchen und Positionen und um sich greifendes Sektierertum sind dagegen immer ein Zeichen von Schwäche. Nötig ist beharrliche Arbeit an der Basis, die unterstützt wird von einer klugen Führung, in der sich – bei allen Differenzen und damit verbundenen Auseinandersetzungen – alle wiederfinden können und, die auch bei unseren (potentiellen) Wählerinnen und Wählern gut ankommt. Dabei sind auch populären Persönlichkeiten wichtig um breite Öffentlichkeitswirkung zu erzielen.

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