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Felix S. Schulz, Maximilian Schirmer, Zhana Jung

Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit der Partei DIE LINKE.

Für uns ist es ein Anliegen, linke Politik, unser Tun und unsere Überzeugungen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln - das tun wir zur Gewinnung von Mitgliedern, Wähler*innen und zur Mitwirkung an der Willensbildung der Bevölkerung. Je besser wir kommunizieren, desto eher gelingt es uns, eine starke Basis aufzubauen, mehr Mandatsträger*innen zu gewinnen und unsere Positionen und Forderungen umzusetzen. Gelingt es uns nicht, unsere Inhalte einer breiten Masse zu vermitteln, drohen Verluste von Mitgliedern, Mandaten und dadurch Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten bis zu außerparlamentarischer Opposition und dementsprechend zum Sammeln von Unterschriften, um überhaupt für Landtage kandidieren zu können.

Wir vertreten die These, dass der zu geringe Aufwand von Personalmitteln im Bereich Kommunikation zu negativer Mitgliederentwicklung und schlechteren Wahlergebnissen führt, diese wiederum zu niedrigeren Budgets, schlechterer Kommunikation usw. - eine Abwärtsspirale. Denn die beste Policy nützt nichts, wenn sie bei den Wähler*innen nicht ankommt. Doch worüber wird geredet und wer profitiert?

Schauen wir uns dazu einmal an, wie Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert. Im letzten Jahr konnten die Grünen und die AfD flächendeckend große Erfolge erringen:

Das alles dominierende Thema war Klimapolitik. Hierbei wurde DIE LINKE medial kaum aufgegriffen, große Gewinner und Sprachrohr zum Thema waren die Grünen. Dabei haben wir das beste klimapolitische Konzept; das sagen Menschen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen, und zu diesem Schluss kam auch Extinction Rebellion. Wie sieht es in der breiten Gesellschaft aus? Doppelt so viele Menschen trauen der AfD zu, sinnvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen zu können, als uns (1%) (Politbarometer, 27.09.19).[1]

Ein weiteres großes Thema: der UN-Migrationspakt. Monatelang wurde die öffentliche Debatte von diesem Dokument und zahllosen Verschwörungstheorien darum dominiert. Nutznießer der Debatte war die AfD, die den Pakt ein halbes Dutzend Mal ins Plenum des Bundestages einbrachte und mit nahezu allen Abgeordneten, Kreis- und Landesverbänden wieder und wieder auf die eigenen Standpunkte rekurrierte. Immer wieder wurde also im Zusammenhang damit über die AfD und ihre Positionen gesprochen.

Bis auf interne Streitigkeiten können wir selten eigene Themen setzen. In diesem Papier wollen wir uns also mit der aktuellen Kommunikation der Partei DIE LINKE auseinandersetzen und Handlungsempfehlungen liefern.

 

Mitglieder gewinnen und Aktive begeistern

Online-Kommunikation nimmt einen immer größeren Stellenwert bei der Informationsbeschaffung ein und bietet die Möglichkeit, direkt an Diskussionen teilzunehmen oder mit Politiker*innen in Kontakt zu treten. Immer mehr Menschen wenden sich von den „klassischen“ Medien ab. Vor allem jüngere (twitter, instagram, tiktok) und mittelalte Menschen (facebook) werden durch die “neuen” Medien erreicht. Wo junge Mitglieder ausbleiben, bricht die Basis weg und die Parteistruktur wird zunächst für Neumitglieder, dann für die breite Wähler*innenschicht uninteressant. Hier gilt es, anzusetzen: Verschiedene Basisorganisationen verdeutlichen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen gesteigerter Reichweite und Neumitgliedern besteht. Kleine Basisorganisationen können potenziell Interessierte zielgerichteter erreichen und ansprechen. Daher hat selbst die CSU entschieden, sich von ihren traditionellen Medien (Bayern Kurier) zu trennen und ihre Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit nahezu vollständig in die Online-Kommunikation zu investieren.[2]

 

 

Online
 

Website

Unsere Webauftritte sollte einem stringenten Schema folgen: Inhalte folgen der richtigen Ansprache. Mit einem responsiven Video, das bei der first impression den Bildschirm einnimmt, kombiniert mit der Botschaft, Mitglied zu werden oder uns zu unterstützen, sendet in den ersten 3 Sekunden während des Erstkontaktes einerseits emotionalisierende Botschaften aus und andererseits direkt ein Call To Action. Inhalte sollten dem nachgestellt folgen. Wir neigen dagegen bislang gerne zu Textwüsten.

 

Intranet und App

Attraktive dialogische Kommunikationswege würden unsere Reichweite verstärken und die vielen Ehrenamtlichen unterstützen. Wir regen daher an, ähnlich der anderen großen Parteien ein Intranet für Mitglieder der Partei einzurichten. Dieses könnte unter anderem

  • ein Portal zur Materialbestellung jeglicher Art
  • Gestaltungselemente wie Schriften, Logos etc. zum Download
  • aktuelle Veranstaltungshinweise
  • die Option, interaktiv auf Aktionen oder Probleme hinzuweisen, die in die Parteikanäle aufgenommen werden können
  • Wissens-, Referent*innen- oder Jobpools

beinhalten.

 

Dieses Intranet sollte zusätzlich um eine App ergänzt werden, die zusätzlich zu den Intranetfunktionen im Wahlkampf hilft.

 

Videoformate

Unser Anspruch ist es, linke Inhalte zielgruppengerecht aufzubereiten. Viele wissen nicht, wofür wir stehen. Deshalb empfehlen wir, einzelne Themenbereiche kurz, und einfach erklärt zu filmen, dabei aber auch auf Prominente zurückzugreifen, um die Verankerung in der Gesellschaft zu untermauern und die Reichweite derer für die Partei zu nutzen.

 

Trainings soziale Medien

Ein weiteres Problem ist der Mangel an Schulungen im Bereich soziale Medien; das reicht von Landesverbänden bis in die BO-Ebene und führt dazu, dass wir über Unmengen an ungenutztem Potenzial verfügen. Dabei geht es nicht nur um Wirkung von uns auf andere, sondern auch um Wirkung von anderen auf uns: welchen Einfluss und welche Macht zur Dirskursverschiebung ein koordiniertes Vorgehen in den sozialen Medien hat, beweist z.B.  die AfD, die ihre Sympathisant*innen in Gruppen organisiert, die sofort im digitalen Mobbing mitmischen. Längst haben (fast) alle Parteien reagiert und eine Koordination entwickelt, welche Shitstorms verhindert, mit “Lovestorms” kontert und eigene Reichweiten durch ihre Mitglieder generiert.

 

Podcasts

Jeder fünfte Deutsche hört Podcasts.[3] Politische Podcasts gewinnen rasch an Hörenden und beeinflussen die politischen Diskurse. Moderne linke Bewegungen und Parteien sind längst dazu übergegangen, eigene Kanäle aufzubauen, z.B. in Frankreich und UK. Einer der beliebtesten politischen Podcasts Deutschlands ist z.B. “Die Lage der

Nation” mit weit über 100.000 Hörenden.[4] Ein LINKER Podcast wäre überfällig. Zwar gibt es einzelne Vorstöße. Die Partei in Gänze verfehlt hier jedoch einen wachsenden Markt.

 

 

Beide Welten
 

Wir müssen immer da sein, wo Menschen politischen Inhalten begegnen; im Fernsehen, online, in Printmedien und Out Of Home. Oft gehen diese Dinge Hand in Hand. Es bedarf also einer koordinierten Kommunikationsstrategie, um  Inhalte repetetiv und medienübergreifend zu platzieren. Dabei geht es sowohl um Inhalte als auch um Narrative. Wir erzählen Geschichten, vermitteln Emotionen und setzen Frames. Würden alle unsere Mandatsträger*innen  z.B. von Horst Seehofer nur noch als “Problemminister” reden, der Begriff würde sich rasend schnell verbreiten. Es gibt nur eben keine Ressourcen zur Koordination dessen. Unser Ziel ist also: Botschaften, die sich einprägen, aus einer Hand zu senden.

 

Koordinierte Kommunikation

Alle Mandatsträger*innen wirken in die Öffentlichkeit. Das Potenzial, Themen zu setzen, ist schier grenzenlos. Allerdings müsste es Vorgaben geben, um ihre Arbeitsfelder mit tagesaktuellen Themen zu verbinden. Es bedarf daher einer Kommunikation, die auf Ereignisse schnell reagiert, eigene Schwerpunkte setzt, kombiniert mit einem Gesamtkonzept, welches eigene Themenschwerpunkte vorbereitet und langfristig aufbaut. Das vorhandene Presseteam ist durch fehlendes Personal eingeschränkt und muss verstärkt werden, um noch offensiver in die Öffentlichkeit zu wirken. Es braucht einen “Newsroom”, um das zu leisten.

 

Brand building

Das entwickeln politischer Marken wird in der deutschen Politik bislang sträflich verfehlt. Politischen Bewegungen, die auf Marken setzen, wirken: “Make America Great Again” hat mittlerweile einen Kultstatus erreicht. Wähler*innen können sich mit der Botschaft identifizieren und werden online wie offline über Merchandise oder Sharepics  zu Markenbotschafter*innen und Multiplikator*innen. Sie stoßen Gespräche an, kommunizieren die Botschaft und finanzieren freiwillig die politische Arbeit und die Kampagne ihrer Kandidat*innen. Wir haben hier und da mal ein rotes T-Shirt.

 

Zielgruppenanalysen

Wählerschaft der Partei DIE LINKE und Profiteure der Politik der Partei divergieren teils extrem. Wechselwählende zwischen Links und Rechts oder vermögende Wähler*innen in alten Bundesländern bestätigen dies. Regelmäßige Fokusgruppenbefragungen und ein Screening der Prioritäten in der Mitgliedschaft sind hier unverzichtbar.

 

Multiplikator*innen nutzen

Die AfD ist extrem kampagnenfähig, obwohl sie die unbeliebteste Partei Deutschlands ist. Inhalte werden über eigene Kommunikationskanäle vermittelt. So schafft es die AfD, einen großen Teil ihres Wähler*innenpotenzials zu erreichen und zur Wahlurne zu bringen. Wir erreichen hingegen nur einen kleinen Teil unseres Potenzials, da wir in den klassischen Medien zu wenig präsent sind und eine direkte Ansprache durch Online-Kommunikation nicht in ausreichendem Maße ausgestaltet werden kann. Leider gibt es hierfür kein koordiniertes Vorgehen, um Themen vorzubereiten und in der öffentlichen Wahrnehmung präsent zu platzieren.

 

Influencer*innen

Jeder Fünfte wird von Influencer*innen beeinflusst.[5] Spätestens seit Rezo haben sie starken Einfluss auf das politische Geschehen. Um eine zielgruppenorientierte Ansprache umzusetzen, lassen sich viele Politiker*innen inzwischen von Influencer*innen beraten.[6] DIE LINKE wird hier abgehängt.

 

Erkenntnisse AfD Kommunikationsstrategie

“Die Linkspartei ist als Protestpartei heute nicht mehr geeignet und kann daher auch keine Nichtwähler mehr anziehen.”[7] Die Analyse der AfD aus ihrem Strategiepapier offenbart die Schwäche der LINKEN, neue Wählergruppen zu erschließen. Die AfD dagegen finanziert einen Newsroom mit 21 Planstellen, von denen 10 allein für Social-Media-Kanäle zuständig sind. Zudem werden Schwerpunkte auf Videobotschaften und Beratungen von Abgeordneten gelegt.[8] Ihre Wahlerfolge bei den jungen Wählergruppen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sprechen für diese Fokussierung. Wir halten derzeit mit einem Mitarbeiter für soziale Medien dagegen.

 

Budgets

Die anderen Parteien haben die wichtige Stellung von Online-Kommunikation erkannt und klar budgetiert. So gaben die Grünen im Europawahlkampf 5-6% ihres Wahlkampfetats für Online-Kommunikation aus,[9] während DIE LINKE im Allgemeinen bei ca. 1% stagniert. Wie und für was Geld ausgegeben werden kann, variiert. Dass heißt, nicht zwingend mehr Geld an Facebook zu zahlen, sondern eigene Formate zu entwickeln. Auch andere, innovative Out-Of-Home-Werbeformate, ggf. in Kombination mit der Online-Welt, wären denkbar. Hier können Akzente gesetzt werden, die durch effektives Themenplacement der Abgeordneten und Landesverbände flankiert wird.

 

Was wir fordern

Die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, hat sich gewandelt. Die Betreuung mehrer Social-Media-Kanäle der Partei  auf einem kompetetiven Niveau verlangt kontinuierliche Betreuung. Ein 9-to-5-Job ist hiermit nicht vergleichbar, denn nicht nur der Tag, auch der Abend und das Wochenende gehören der Partei und damit der Arbeitgeberin. Viele von uns nehmen ihre Arbeit mit nach Hause, können kaum bis nie wirklich abschalten. Das ist kein Job, der im Ehrenamt zu bewältigen ist. Gerade eine Partei der „guten Arbeit“ sollte hierfür also mit gutem Beispiel vorangehen und diese Arbeit nicht nur fair entlohnen, sondern auch fair aufteilen - denn Mitarbeiter*innen für Online-Kommunikation fungieren zugleich als Vertreter*innen der Partei in der Öffentlichkeit. Jeder Kommentar ist ein Statement, jeder Post eine Presseaussendung, vergleichbar mit einem Artikel in einer Zeitung, jeder Faux Pas kann einen kleinen Skandal für die Gesamtpartei nach sich ziehen. Die politische Verantwortung ist immens.

 

Wir fordern daher die Einstellung von mindestens 5 Planstellen für die Bundespartei im Bereich Kommunikation, um

  • effektiv und schnell in sozialen Netzen dialogisch zu kommunizieren
  • die Vernetzung und Schulung von Aktiven an der Basis zu fördern
  • die Auftritte von Abgeordneten in klassischen Medien zu verbessern und in sozialen Medien zu begleiten
  • beständig neue Formate zu entwickeln und zeitnah in professioneller Form umzusetzen
  • für die Professionalisierung des Auftrittes der Partei in der Breite zu sorgen, um damit
  • für mehr Mitglieder, breiteren Impact im öffentlichen Diskurs und erfolgreiche Wahlen zu sorgen.

 

Es bedarf ferner der Bereitstellung eines angemessenen Budgets für Onlinewerbung sowie kurzfristige Kampagnen. Wir erachten dies als Investition in den nachhaltigen Aufbau der Partei und notwendigen Schritt im Kampf gegen die drohende Bedeutungslosigkeit. Zusätzlich muss eine Kommunikationsstrategie an alle Akteure und Mandatsträger*innen der Partei herausgegeben, koordiniert und eingefordert werden. Wer über unsere Partei als Person des öffentlichen Lebens gewählt wird, muss auch Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nehmen.

 

Eine Langfassung des Textes findet ihr hier.

 


[1] www.zdf.de/politik/politbarometer/mehrheit-findet-das-klimapaket-unzureichend-100.html

[2] www.tagesspiegel.de/politik/neuer-fokus-auf-digitale-formate-csu-stellt-traditionsreichen-bayernkurier-ein/24388976.html

[3] www.hamburger-wahlbeobachter.de/2019/10/der-groe-politikerinnen-podcast-test.html

[4] www.meedia.de/2017/06/30/nach-einem-jahr-fast-hunderttausend-hoerer-podcast-lage-der-nation-ist-mit-politik-erfolgreich/

[5] www.freitag.de/autoren/alexanderklingenberg/influencer-und-ihr-einfluss-auf-die-politik

[6] www.deutschlandfunk.de/ein-youtube-video-und-seine-folgen-rezo-revisited-eine.3507.de.html?dram:article_id=459525

[7] (AfD-Strategiepapier 2016; S. 23)

[8] www.deutschlandfunk.de/formate-des-politischen-2019.4028.de.html

[9] www.spiegel.de/politik/deutschland/europa-wahl-drei-gruende-fuer-den-lahmen-wahlkampf-a-1267058.html

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