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Edeltraut Felfe, Mitglied des Ältestenrates

Alternativen zum Kapitalismus notwendiger denn je

Eine linke Strategie muss nicht nur kapitalismuskritisch, sondern antikapitalistisch sein.

 

Angesichts der bekannten ökonomischen, politischen und kulturell-geistigen Entwicklungen in Deutschland, in Europa und weltweit braucht die Linkspartei gerade in der BRD eine Strategie, die Alternativen zu Kriegen, zu Umweltzerstörung und zu autoritären, faschistoiden Herrschaftsformen entwickelt. Das ist umso notwendiger, je wahrscheinlicher die gegenwärtige neoliberale Gesellschaft zu neuen allseitigen Krisen, Kriegen und Zusammenbrüchen führen wird. „Mit der Auflösung der `sozialen Marktwirtschaft` löst sich auch der Kapitalismus in Barbarei auf.“ (Jürgen Kuczynski) Wenn da die Linke nicht noch rechtzeitig viele Menschen für eine Alternative mobilisieren kann, verfehlt sie ihre Funktion. Und weil die wichtigsten Ursachen für alle diese Gefahren im Wesen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung liegen, muss die linke Strategie nicht nur kapitalismuskritisch, sondern antikapitalistisch, auf die Einschränkung, Zurückdrängung und Überwindung der eigentumsbasierten Macht der jetzt Herrschenden gerichtet sein. Das wäre auch im Sinne der nach wie vor richtigen Zielstellung des geltenden Parteiprogramms. Gegenwärtig liegen praktische Parteipolitik und Programmatik oft zu weit auseinander. Tatsache ist aber, dass bereits im Einsatz gegen akute verheerende soziale und politische Zustände, tatsächliche Alternativen, reale Utopien erkennbar sein müssen.Da geht es sowohl um Materielles als auch um Hoffnung, um die Sehnsucht im Menschen nach Würde, Anerkennung, Solidarität. Das Ziel einer nichtkapitalistischen Gesellschaft  darf unter dem Druck der Herrschenden und ihrer „öffentlichen Meinung“ nicht aufgegeben, nicht verdrängt, verschwiegen, nicht auf Sonntagsreden für die Basis beschränkt werden.

Zu alternativen Strategien gehört auch, gute wie schlechte Erfahrungen der DDR, die zunehmend aufgearbeitet werden, mit dem Blick auf Wesentliches aufzunehmen und nicht den antikommunistischen Zeitgeist zu bedienen. Das ist für unsere lebenswichtigen Ziele kontraproduktiv und nicht mit notwendiger Bündnispolitik zu verwechseln. (Zur Notwendigkeit und zu denkbaren Elementen sozialistischer Alternativen siehe z.B.: K. Steinitz, Warum ist die Diskussion sozialistischer Alternativen gegenwärtig notwendig? Pankower Vorträge, Heft 206, Berlin 2017) Es wäre schon zu erwarten, dass Führungskräfte der LP ihre Politik verwissenschaftlichen und Analysen und  Schlussfolgerungen aus allen Strömungen zur Kenntnis nehmen und erkennbar damit arbeiten. Analyse als Grundlage von Strategie!

Antikapitalismus, Tagespolitik und Demokratie

Aus der notwendig antikapitalistischen Funktion der Partei ergibt sich, dass ihre Strategie darauf auszurichten ist, dass der tagespolitische Einsatz für die Abwehr akuter Gefahren und für die Verbesserung der unmittelbaren Lebenslage der Erwerbsabhängigen mit der Schwächung der Position der Machthabenden verbunden werden muss.Wo möglich, mit ein und demselben Projekt. Zum Beispiel: Kampf gegen Mietenwucher auch als Kampf für Vergesellschaftung von Grund und Boden und zur Entmachtung von Immobilienspekulanten. Kampf gegen Aufrüstung, Rüstungsexporte und Kriegsgefahr auch als Kampf für ein Verbot von bestimmten Rüstungsproduktionen, für demokratische  Vergesellschaftungen und Umstellung auf zivile bedürfnis- und nicht profitorientierte Produktion. Einsatz der frei werdenden öffentlichen Mittel für Soziales. („Entwaffnet Rheinmetall“) Ähnlich wäre es mit Bereichen der  Pharmaindustrie etc. - Da sind gegen die alles fressende Profitwirtschaft viele Initiativen, Bewegungen, selbstbestimmte Organisationen, Spontanabwehr, auch Wut und Aktionsbereitschaft in neuer Qualität und in fast allen Bereichen der Gesellschaft entstanden. Aber gegenwärtig trabt die Linkspartei zu oft den durch die Wirklichkeit erzwungenen Erkenntnissen über den Kapitalismus hinterher.

Die LINKE müsste im und mit dem Alltagskampf über die im Kapitalismus wurzelnden Ursachen der Gefahren aufklären.Da könnten Kräfte in grundsätzlicher Übereinstimmung ihrer Interessen gebündelt und so tatsächlich Gegenmacht aufgebaut werden. Marx hat darauf verwiesen, dass  Menschen, indem sie zur Änderung der Umstände ihres Lebens tätig werden, sich selbst verändern und so wieder die Umstände. Dabei ist wichtig, nicht länger die Tatsache zu negieren, dass alle Bemühungen, in die Sekundärverteilung einzugreifen oder gegen Details der Entwicklung vorzugehen, den neoliberalen und militaristischen Trend der Entwicklung nicht aufhalten konnten und dass der Kampf nun auch an die Wurzeln gehen muss. Und zwar schon, um die gegenwärtig giftigsten Wucherungen abzuschneiden. Das heißt, die Linkspartei muss die marxistische Erkenntnis von Basis und Überbau für die aktuellen Verhältnisse konkret analysieren. Dem Wissen, dass - im Neoliberalismus mehr denn je – die gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse, einschließlich Lebensweise und Politik, letzten Endes von den Eigentums- und daraus abgeleiteten Machtpotenzialen beherrscht werden, ist nicht mehr auszuweichen. Und diese Verhältnisse werden ständig reproduziert. Eine Orientierung, dass nun wieder wie im Fordismus, also bei kapitalistischen Grundstrukturen, ein Primat der Politik über die Ökonomie erlangt werden könne/müsste, ist aus mehrfachen Gründen irrtümlich.

Für eine einheitlich kapitalismuskritisch-antikapitalistische Strategie wäre eine Konfliktlinie, eine kämpferische klassenpolitische Grundhaltung der Linkspartei notwendig. Es wäre nicht vorrangig auf das Mitmachen im ausgehöhlten, marktangepassten, vermarkteten  Parlamentarismus hinzuarbeiten. Und  zum Dogma verkommene  Orientierungen auf  ein Mitregieren der LP helfen nicht, ihre spezifische Funktion in der Gesellschaft zu erfüllen. Dann wird bereits im Strategischen  verkannt, dass der Staat nicht nur ein Feld der Klassenauseinandersetzung , sondern vor allem ein Machtinstrument der Herrschenden ist.Auch hierzu gibt es aufgearbeitete Erfahrungen, historische Analysen, zuverlässige Verallgemeinerungen und Hinweise auf Sinn, Gefahren und denkbare Notwendigkeiten, denen sich Politiker stellen müssten.  

Da wäre in Auseinandersetzung mit dem Klassenwesen des Staates, in und außerhalb bestehender Strukturen, mit neuen Inhalten auch in neuen Formen Politik zu machen. Es ginge darum, bürgerlich-demokratische Errungenschaften gegen rechts zu verteidigen und dabei in selbstermächtigenden, basisdemokratischen, u.a. in rätedemokratischen Richtungen, Demokratie neu und fortzuentwickeln,  z. B. Zukunfts-, Wirtschafts-, Umwelträte, Gesetzesinitiativrecht für Gewerkschaften.Die außerparlamentarische Wirklichkeit bringt hier schon einiges hervor, was in die Strategie einer bewegungsorientierten LP gehört. Demokratieentwicklung im täglichen Kampf  mit antikapitalistischer Orientierung zu diskutieren, mehrheitsfähig zu machen und in verschiedenen Bereichen zu verbinden, wäre eine Aufgabe der Linken.

Insgesamt wäre in diesem Sinne eine längerfristigangelegte, eine daraus abgeleitete mittelfristige und eine Strategie zu entwickeln, die auf gegenwärtig wichtigste Kettenglieder oder Projekte, orientiert. Hiervon sind jeweilige Programme für Wahlen zu unterscheiden, die selbstverständlich in die  Richtung der längerfristigen Politik gehen müssen.

Zur Rolle der Eigentumsfrage in der Strategie der Linkspartei

Es ergibt sich, dasseine sozialistische Partei der Eigentumsfrage, der nach Vergesellschaftung, darunter Verstaatlichung machtgebenden privatkapitalistischen Großeigentums und seiner demokratischen, bedürfnis- und nicht profitbestimmten Nutzung, nicht mehr ausweichen und sie nicht mehr auf später vertagen kann. Mit der Bankenkrise 2008 ff. wurde das in linken Debatten bereits deutlich. Es geht um ein notwendiges aber selbstverständlich nicht hinreichendes  Element  einer sozialistischen Strategie der LP. Und es geht ausdrücklich nicht um einen Ersatz von bisherigen Versuchen, im Rahmen der bestehenden Eigentums-, Macht- und Demokratieverhältnisse, Herrschaft aus Großeigentum einzuschränken, sondern darum, diese kämpferisch fort- und neue bis hin zu revolutionären Brüchen zu entwickeln. Da geht es um komplexe, auch internationale Strategien: um den Kern der Klassenauseinandersetzungen und um entsprechenden Widerstand.

Hier nur - unter Nutzung bisheriger Diskussionen und auch internationaler Erfahrungen – wenige Stichworte und Fragen:

- Konsequente Verweigerung von Privatisierungen in der Daseinsvorsorge; Rückführung von privatisiertem in öffentliches  Eigentum, Forderungen nach Vergesellschaftungen einbringen und unterstützen, damit Einschränkung der Herrschaft des Privatkapitals über wichtige Lebensbereiche, über die Lebensweise und die Zukunftsgestaltung der Erwerbsabhängigen

- Nutzung des Grundgesetzes, u.a. Art.14 und 15, und von Landesverfassungen von 1946/47; von  Rechtsprechung zum Sozialstaatsprinzip + Art. 1 Menschenwürde; von Interpretationen von Eigentum, von grundgesetzlich nicht geschütztem Eigentum, Besonderheit u.a. von Grund und Boden; Privateigentum- Umwelterhaltung-Recht auf Leben; Thematisierung von „Enteignung durch Neoliberalismus“ und, dass Arbeit Eigentum schafft (auch BGB)und daraus Macht zu gebrauchen ist

- Nutzung von gewerkschaftlichem großem Eigentum, um Anteile an produktivem Kapital und damit Arbeiterrechte und strategische Mitbestimmungsrechte für Gewerkschaften und Belegschaften zu erwerben?

 - Kampf, dass öffentliches Eigentum- auch für Umweltschutz und Digitalisierung - demokratisch kontrolliert, für das Gemeinwohl eingesetzt und nicht den Marktgesetzen unterworfen wird

 

-Gesetzliche Verankerung von Vorkaufsrechten für die öffentliche Hand und Gewerkschaften/Belegschaften, wenn private Wirtschaftsgüter wegen Profitinteressen ins Ausland verlegt oder stillgelegt werden sollen?

- gesetzliche Förderung einer „Wirtschaftsdemokratie von unten“ und zukunftsträchtiger Lebensweisen

 

Greifswald, 4.11.2019

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