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BAG Grundeinkommen

Beitrag der BAG Grundeinkommen zur Strategiedebatte

DIE LINKE muss eine neue und vor allem eigenständige Utopie entwickeln und ausformulieren.

 

Wie beschreibt ihr den aktuellen gesellschaftlichen Umbruch?

 

Der Neoliberalismus ist über die Jahre tief im Denken der Menschen verankert worden. Wir wurden „vereinzelt“, jeder sollte für sich allein verantwortlich sein. Ursache und Wirkung wurden so verdreht, dass Arme, die auf Hilfen angewiesen sind, als diejenigen dargestellt werden, die das System ausbeuten und nicht die Reichen, die dies tatsächlich tun.

Die Schere zwischen Arm und Reich klappt immer weiter auf. Und dies bei gleichzeitigem Rückbau des Sozialsystems, das heute sozialen Abstieg und Armut zementiert. Dazu kommt die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Digitalisierung, die sogenannte Industrie 4.0.

Die Krise des Kapitalismus setzt sich durch das Zeitalter der Digitalisierung und vernetzten Automatisierung fort. Hinzu kommt, dass wir jetzt die Klimakrise an eigenem Leib erfahren und die Menschen in den ausgebeuteten Staaten sehen, wie wir in der westlichen Welt leben und große Teile unseres Lebensstandards auf ihrer Ausbeutung fußt. Die Verteilungssituation verschlimmert sich. Lokal und Global.

 

Welche vorrangige Aufgabe und Funktion hat in dieser Situation die Partei DIE LINKE?

DIE LINKE muss eine neue und vor allem eigenständige Utopie entwickeln und ausformulieren. Das "Reich der Freiheit" und damit eine Abkehr vom calvinistischen Arbeitsideal muss hierbei im Fokus stehen. DIE LINKE muss diese "neue Gesellschaft" in den gesellschaftlichen Diskursen zur Sprache bringen und hierfür Verbündete suchen. Wir als Linke sind aufgefordert, einen Weg aufzeigen, wie Digitalisierung und ein zügiges Erreichen einer Klimaneutralität sozial und emanzipatorisch gestaltet werden kann und allen nützt.

 

Was muss dringend unternommen werden für eine realistische und an die Wurzel der Probleme gehende linke Politik für Klimagerechtigkeit, Demokratie und anderes Wirtschaften, für Frieden und globale Solidarität?

 

Klimapolitik - nach dem Verursacherprinzip vorgehen, überflüssige Produktion und Arbeit schaden der Umwelt.

 

Demokratie – Bürgerentscheide fördern, politische Bildung fördern, BGE einführen

 

Anderes Wirtschaften - Gemeinwohlökonomien, kommunitaristische Handlungsansätze, Bedarf vor Begierde, ressourcenschonendes Produzieren, generelle Produzentenhaftung, Postwachstumsökonomie nachhaltig angehen

 

Frieden - Priorisierung der Konfliktvermeidung im Vorfeld, Diplomatie vor brachialen Konflikt"lösungen", Bundeswehr ausschließlich als parlamentarische und territoriale Verteidigungsinstanz, Austritt aus einer NATO unter Hegemonie der USA und Schaffung einer Europäischen Sicherheitsarchitektur

 

Globale Solidarität - Faire Handelsstrukturen, Klimaneutralität in den weniger entwickelten Ländern finanziell unterstützen.

 

Wie können wir der Verfestigung der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung und dem Erstarken der extremen Rechten entgegenwirken?

 

Mit einem starken linkssozialen Profil, das sich aus den Menschenrechten und somit aus unserem Grundgesetz speist, können wir den Rechten die Stirn bieten:

 

Kurzfristig: Linkes Grundeinkommen einführen, um Existenzängste als Motor einer Zuwendung nach rechts zu nehmen und Sicherheit zu garantieren.

 

Mittelfristig: Die eigene Utopie einer "neuen Gesellschaft" nachvollziehbar machen.

 

Langfristig: eine subjektorientierte Bildung einführen und Bildung als einen lebenslangen Prozess auffassen.

 

Wie kann es gelingen, gemeinsam Ziele zu erreichen und Erfolge zu organisieren, die einen Unterschied im Leben machen?

 

Wir brauchen DIE neue Erzählung, wie wir in Zukunft leben wollen! Dazu müssen alle zusammenarbeiten. Unsere Zusammenschlüsse haben sehr viel Expertise zu bieten und können viel dazu beitragen. Kritik sollte dabei positiv bewertet werden, weil man daraus lernen kann. Allerdings sollte sie konstruktiv geäußert werden, verbunden mit Verbesserungsvorschlägen. Generell ist eine gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen und Weitergabe der jeweiligen „Best Practice“ das Ah und Oh.

 

Gibt es etwas aus eurer Praxis, von dem andere lernen könnten?

Erst ein gemeinsames Ziel definieren, dann auf Grundlage der gegebenen Verhältnisse einen Kampagnenplan ausarbeiten und regelmäßige Erfolgskontrollen durchführen, dabei gegebenenfalls Änderungen vornehmen. Ziel und Weg dahin für Alle nachvollziehbar erläutern, so wie wir es ja aktuell bei unserer Kampagne www.mit-links-zum-grundeinkommen.de für einen Mitgliederentscheid zur Aufnahme eines linken Grundeinkommenskonzeptes ins Parteiprogramm bereits ausführen. 

 

Wie beschreibt ihr den aktuellen gesellschaftlichen Umbruch und wie seht ihr hierbei unsere Rolle als Partei?

Nüchtern betrachtet könnte unsere Partei gut genug aufgestellt sein, um den politischen Laden zu rocken. Doch es fehlt der Mut. Wir müssen uns wieder ein allseits sichtbares, unverwechselbares, weil nur bei uns zu verortendes Zeichen ausarbeiten: die Kraft, das Utopische nicht nur zu benennen, sondern auch konkret anzugehen! Wagen wir Zukunft!

 

Wie können wir die Gesellschaft verändern? Wie ist eure Vision, mit der ihr Menschen ansprecht?

Wir müssen realisieren, dass der Neoliberalismus die Gesellschaft verändert hat. Wir sind getrieben von Angst vor sozialem Abstieg und vom verlogenen Aufstiegsversprechen, dass jede*r alles werden kann mit viel Fleiß. Wir müssen uns gegenseitig absichern, ohne Bedingungen, ohne Bürokratie.

Um diese Sicherheit zu finanzieren, müssen wir übertriebenen Reichtum angreifen, Finanzgeschäfte besteuern, ökologisch schädliche Industrien bestrafen und abwickeln. Es wird auffallen, das große Teile der aktuell (aufgrund des Einkommens) heiß begehrten Erwerbsarbeit zusammenbrechen, wenn wir nicht mehr auf Kosten von Schwächeren und der Zukunft arbeiten wollen.

Stattdessen enthält unser neues Gesellschaftsbild einen neuen Sinn für Genügsamkeit, eine Benutzen-statt-Besitzen-Philosophie und einen durch das bedingungslose Auffangnetz gestärkten Willen auch ökologische Veränderungen annehmen und sogar aktiv mitzugestalten.

 

Wie setzen wir Veränderungen durch? Und können wir das – mehr oder weniger – mit einer Stimme tun?

Sollte unsere Partei es den Menschen ermöglichen, ihnen Existenz und Teilhabe an unserer Gesellschaft zu garantieren, ohne dass sie weiterhin Bittsteller bei Behörden und somit sich als “unnormal“ empfinden, dann erst verschaffen wir den Menschen die Grundlage, sich linken Politiken gegenüber öffnen zu können. Erst dann werden wir ihre Herzen gewinnen! Mit einer Stimme können wir das vor allem dann tun, wenn möglichst viele an der Gestaltung unserer Botschaften mitwirken und so ein „Wir-Gefühl“ entsteht. 

 

Wie sieht heute eine realistische und an die Wurzel der Probleme gehende linke Politik für Klimagerechtigkeit und anderes Wirtschaften, für Frieden und globale Solidarität aus?    

Wir sollten auf eine Welt hinarbeiten, in der überall grundsätzlich für alle die gleichen Regeln gelten. Wir sollten radikal umverteilen von reich nach arm, von unökologisch nach ökologisch. Wir sollten kostenlos machen, was alle Menschen brauchen und als bedingungslose Grundversorgung anbieten. Dazu gehören der ÖPNV, Gesundheit, Bildung, öffentliche Toiletten und Wasserbrunnen und mittels eines Bedingungslosen Grundeinkommens auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Wohnung, Kleidung und nachhaltigen Konsumgütern. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss einen erheblich höheren Stellenwert bekommen!

Wir sollten Migration nicht defensiv regulieren, sondern sie als Regulativ für das Auflösen falscher Unterschiede zwischen globalen Regionen verstehen. Wir dürfen nicht zulassen, dass an anderen Orten der Welt Menschen und das was sie tun massiv weniger wert sind.

Zu einer friedlichen Politik gehört selbstverständlich auch der Kampf gegen die vorherrschende Rüstungsindustrie und die Auflösung der aktuellen Bundeswehrstruktur.

Wir müssen Automatisierung zu unseren Gunsten nutzen, mehr Freizeit als Chance begreifen und nicht ohne Sinn und Verstand mehr Arbeitsplätze fordern. Deshalb sollte DIE LINKE sich dem „Frankfurter Manifest“ ¹ anschließen und damit eine humanistische Durchdringung der Digitalisierung mit einfordern.

In einer linken Welt der globalen Solidarität sind auch Tiere keine Ware mehr, heutzutage führt Tierproduktion sowohl zu Tierleiden, als auch zu menschlichem Leid, das Klima wird geschädigt und unsere Böden werden zerstört. 

 

Wie können wir der Verfestigung der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung und dem Erstarken der extremen Rechten entgegenwirken?

Einige Ausführungen dazu haben wir weiter oben skizziert.

Wie verbinden wir über die Spaltung von Klassen hinweg und spielen nicht die einen gegen die anderen (Gruppen, Milieus, Beschäftigtengruppen) aus?

Ein schlüssiges Programm für eine nachhaltige, sozio-ökologische, gerechte Gesellschaft unter Einbeziehung des bedingungslosen Grundeinkommens nimmt alle mit und schließt niemanden aus. Lediglich die sehr gut Verdienenden bekommen mehr finanzielle Verantwortung für die Gesellschaft und werden endlich zu wirklichen „Leistungsträgern“.

Welche Kämpfe lassen sich in den Vordergrund stellen, in denen reale und symbolische Gemeinsamkeiten deutlich werden - ist z.B. die Auseinandersetzung um bezahlbares Wohnen eine solche?

Bezahlbares Wohnen ist zwar nur ein kleiner Baustein im Großen und Ganzen, wäre aber ein guter Anfang. Die Einführung eines emanzipatorischen Grundeinkommens unter Einbeziehung kostenfreier Dienstleistungen, wie ÖPNV, Bildung, Internet, etc., sollte der Kampf sein, der die nächsten Jahre im Vordergrund stehen muss.

 

Wie können wir beides sein: plural und mit klarem Profil? Wo seht ihr Probleme?

Es gilt innerhalb gegebener Zeitläufte Prioritäten zu setzen und bestimmte Elemente der vorhandenen, pluralen Aufstellung auf die Bühne zu schieben. Der Partei fehlt es eher an "klarer Kante" und Profilschärfe, als an Mannigfaltigkeit.

 

Wie kann das Parteileben mehr Spaß am Widerstand vermitteln – auch wenn die Sache ernst ist –, wie hättet ihr eure LINKE gern? Wie sehen Versammlungen, Sitzungen, Parteitage aus, an denen ihr gerne teilnehmt? Was würdet ihr gern ausprobieren?

Um Mitglieder aktivieren zu können, muss ihnen die Möglichkeit zur echten Beteiligung an Prozessen und Entscheidungen geboten werden. Vorstände und Gremien werden häufig von Mandatsträgern bzw. ihren Mitarbeiter*innen, bevorzugt aus einer Gewerkschaft, besetzt.

Um dem entgegenzuwirken, könnten Mitglieder, die z. B. bereits zu einem Parteitag delegiert wurden, zugunsten anderer Mitglieder pausieren.

 

Der Bundessprecher*innenrat

 

¹) siehe:   https://digibge.files.wordpress.com/2018/06/abschlusserklaerung.pdf

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