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Herman U. Soldan-Parima, KV Flensburg

Beitrag zur Strategiedebatte

Die Partei muss der Rechtsentwicklung als soziale Alternative entgegen treten.

1. Wie beschreibt ihr den aktuellen gesellschaftlichen Umbruch?

Der sog. „gesellschaftliche Umbruch“ ist die zugespitzte Fortführung der neoliberalen Entwicklung des kapitalistischen Gesellschaftssystems seit den 1970/80er Jahren. Die derzeitige Situation, die derzeit oft und gerne als „Die Welt ist aus den Fugen geraten“ beschrieben wird, ist die hemmungslose Absage an soziale Gerechtigkeit, die ungetrübte Profitmaximierung durch Konzerne und Finanzsektor und die ignorante Fortsetzung des Prinzips „Profite vor Klima“ (alles national wie weltweit). Das Wissen und die Prognostizierung darauf sind seit Jahrzehnten bekannt – nicht nur aus „linker Theorie“, sondern auch aus Forschung und Wissenschaft. – Nun jedoch sind die Symptome dieser menschen- und umweltfeindlichen Politik deutlich und auch medial sowie durch freie Initiativen in die Öffentlichkeit getreten. Diese noch recht junge Entwicklung ist nicht per se „weltverbessernd“, denn auch die Widerstände gegen die Erkenntnisse nehmen zu – teils aus Wahrung von Profitinteressen, teils weil die Dimension der Konsequenzen für viele sozial bedrängte Menschen unüberschaubar erscheint oder weil ihnen durch die neoliberale Politik die Kosten für die „Reparatur“ des Systems aufgebrummt werden sollen. Darüber hinaus ist der Weltfrieden vorwiegend durch neoliberale Macht- und Profitinteressen stärker bedroht denn je (der weltweite Kapitalismus macht seiner Analyse „alle Ehre“!). Daraus resultierende Fluchtbewegungen, die nur ansatzweise auch die nördliche Welt erreichen, führen nicht zur Einsicht der Machtelite, sondern zu Bedrohungsszenarien in der Bevölkerung, bei der Werte der Humanität zu die Demokratie gefährdenden nationalistisch-rassistischen Bewegungen führen, anstatt die „Werte“ der Kriegs- und Ausplünderungspolitik in den Fokus tu rücken. Populismus und Rechtsextremismus (teils sogar Neofaschismus) sind so zur alltäglichen Bedrohung geworden

 

2. Welche vorrangige Aufgabe und Funktion hat in dieser Situation die Partei DIE LINKE?

DIE LINKE stellt (nicht erst) seit ihrer Gründung von 2007 soziale Gerechtigkeit ins Zentrum ihrer Politik. Sie hat damit politische Erfolge erreichen und wichtige Alleinstellungsmerkmale erkämpfen können. Der soziale „Kern“ dieser Ausrichtung muss weiter oberste Leitschnur sein. Die Partei hat sich für die parlamentarische Demokratie entschieden und erreicht in diesem System als einer der „Player“ durch Wahlen ihre politische Grundlage in den verschiedenen Fraktionsebenen, die zentral für die politische Gestaltungsfähigkeit ist.. Deswegen muss sie (endlich wieder) die WählerInnenschichten ansprechen, die sozial am stärksten belastet sind – und sie muss dafür klare, verständliche und abstimmungsfähige Politikangebote machen und diese ebenso klar nach außen darstellen. – Spätestens seit 2017 (die Bundestagswahl ist nur noch oberflächlich „gut gegangen“), ist jedoch versucht worden, „junges urbanes Publikum“ (also Teile der Mittelschicht) zur linken Stimmabgabe zu gewinnen. Das hat aber nicht geklappt, denn dieses Publikum sitzt zumeist „gut im Sattel“ und ist mit der Verbürgerlichung von B’90/Die Grünen gut bedient – und genau deshalb wählen sie sie auch, und nicht massenhaft DIE LINKE! Aber gleichzeitig sind dann hunderttausende WählerInnen, die einst der sozialen Kernkompetenz der LINKEN vertraut haben, abgewandert, weil Teile der LINKEN (besonders im PV und Teilen der Bundestagsfraktion) mit „neuen Ideen“ beschäftigt waren und diese Menschen aus dem zentralen Blick verloren haben... Floskeln und verkürzte Facebook-Posts (oft ohne Logo!) reichen da nicht aus. – Diesen Aderlass muss DIE LINKE schnell stoppen und „das Soziale“ zum Hauptthema machen, die steuerliche Umverteilung als Weg zur sozialen Gerechtigkeit herausstellen und dies auf allen Ebenen darstellen. – Dies widerspricht Anstrengungen für eine humane Friedenspolitik und eine soziale Klimapolitik nicht im Geringsten. – Hier geht es um Prioritäten!!!

 

 

3. Was muss dringend unternommen werden für  eine realistische und an die Wurzel der Probleme gehende linke Politik für Klimagerechtigkeit, Demokratie und anderes Wirtschaften, für Frieden und globale Solidarität?

Anschließend an Pkt 2. möchte ich hier davor warnen, „linke Politik“ immer wieder zu stark nach innen (also für die Mitgliedschaft oder traditionell „befreundete“ Initiativen) zu orientieren. Dies führt oft nicht nur zur erwünschten Motivierung in den eigenen Reihen, sondern auch zu unüberschaubaren radikal-ideologischen Debatten, deren Reibung nach innen vielleicht etwas Wärme verbreitet – aber auch zu Konflikten und zur Irritation oder Abwehr bei „außen“ stehenden (uns eigentlich gewogenen) Menschen, die von „uns“ viel erwarten (dürfen), führt. Das Problem der LINKEN ist nicht ihre Programmatik, sondern oft eine fehlgeleitete Ausrichtung oder gar Verzettelung. –  Ein Beispiel: Wer die Partei als „Bewegungslinke“ umzudefinieren versucht, begibt sich auf dünnes Eis. Viele dieser Bewegungen verhalten sich nicht eindeutig „links“ und sie wollen es auch gar nicht („keine Parteisymbole bitte!“). DIE LINKE bzw. einige ihrer VertreterInnen mögen darin hier und da ihren Platz finden und auch gut „netzwerken“ können, die Gesellschaft wird dadurch aber nicht „linker“, denn Stimmengewinne kann DIE LINKE daraus nicht automatisch ziehen. Je mehr sich die Partei dorthin ideologisieren sollte, desto größer ist auch das Risiko der Ferne vieler anderer TeilnehmerInnen... Etwas salopp gesagt: Die wählen dann doch lieber „grün“. Auch nach innen ist eine solche Priorität einer „Bewegungslinken“ nicht unproblematisch. Zwar sind die Inhalte und Ziele einiger Bewegungen inhaltlich nicht umstritten, da es sich aber i.d.R. nicht um klassisch-soziale Bewegungen handelt, geht der Blick von den eigentlichen sozialen Kernthemen verloren, und DIE LINKE stellt sich auch vor Ort „plötzlich“ diffus dar... Dies verstärkt also auch auf kommunaler Ebene die „Fremdheit“, vor der bereits viele „weggelaufen“ sind. – Fazit: DIE LINKE sollte stark „nach außen“ agieren und alle politischen Themen als Teil der sozialen Frage zu vermitteln und darzustellen.

 

 

4. Wie können wir der Verfestigung der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung und dem Erstarken der extremen Rechten entgegenwirken?

Der gefährlichen und asozialen Rechtsentwicklung kann DIE LINKE bundesweit und vor Ort mit dem Schwerpunkt Steuerliche Umverteilung als SOZIALE Alternative entgegentreten. Daran kann u.a. deutlich gemacht werden, dass Zuwanderung nur dann als Bedrohung wahrgenommen wird, wenn „der Kuchen“ falsch verteilt ist, so dass die vielen sich vermeintlich um die „Krümel“ streiten, während die großen Stücke, die für Sozial- Wohnungs-, Gesundheits-/Pflege-, Klima-, Bildungs- und Integrationspolitik ausgegeben werden müssten, konsequent bei der Elite landet, die derzeit sowohl durch Lohnsubventionen von der Sozialpolitik profitiert als auch steuerlich verhätschelt wird (und trotzdem Steuerkriminalität verübt!). Wir brauchen aus LINKER Sicht die Vermittlung von sozialen und humanen Perspektiven, Haltelinien, Zuversicht und Selbstvertrauen an sehr viele Menschen, die sich von „uns“, aber auch der Beteiligung an der Demokratie abgewandt haben, weil ihnen ihre Situation (subjektiv oder objektiv) dies nicht mehr als attraktiv oder als positive Perspektive erscheint. – Eine konsequente und verständliche Sozialpolitik ist das beste Mittel gegen den Rechtstrend, auch wenn dies den harten neofaschistischen Kern (den es in verschiedenster Form leider immer gab!) nicht beseitigen wird. Die Rechten können nur zu Frust, Hass und Gewalt anstacheln. – Es muss das Ziel der LINKEN sein, dem rechten Sumpf Zuversicht und Menschlichkeit entgegenstellen – und das kann sehr konkret in allen Politikbereichen getan werden.

 

 

5. Wie kann es gelingen, gemeinsam Ziele zu erreichen und Erfolge zu organisieren, die einen Unterschied im Leben machen?

Wir brauchen keine „Hoppla-hopp“-Kampagnen, die in der eigenen Außendarstellung oft gar nicht vertieft und nur unzureichend vermittelt werden (Beispiele: „5 Milliarden für den Wohnungsbau“ oder das Nahverkehrskonzept „Kostenfrei bis 2025“), so dass sie schnell wieder verpuffen (oder auch nur als eine taktische Silvesterrakete wahrgenommen werden). Wenn so etwas (inhaltlich Richtiges) „rausgehauen wird“, muss eine breite und andauernde (ggf. auch sich wiederholende) Kampagne begonnen werden – bis in die Kreisverbände hinein. Dazu gehören dann Videos, viele Presseauftritte, Großflächenplakate (lieber weniger Flyer-Material – der portugiesische „Bloco de Esquerda“ macht mit solchen Plakataktionen sehr gute Erfahrungen!) etc. Vieles in der Partei darf inhaltlich nicht dem Zufallsprinzip überlassen werden. – Auf Landesverbandsebene wird sogar der Fehler gemacht, auf die Motivation und die Aktionen der (oft viel zu kleinen) Kreisverbände zu setzen oder sogar darauf zu warten... Nein, bei zentralen Themen sollte die Parteistruktur genutzt werden, um auf zentrale Themen auch „von oben“ zu orientieren. Bei „Das muss drin sein“ gab es dazu solche Strukturen (auch wenn nicht alles gut geklappt hat) – sie sind unverzichtbar! – Auch in den nachfolgenden Langzeitkampagnen „Wohnen“ und „Pflege“ sind noch immer positive Ansätze, die sich bis in die Kreisverbände und die „Basis“ verbreiten. – So etwas sollte zu den Themen „Mindestsicherung“ und „Endlich sozial umverteilen!“ ebenfalls erfolgen!

 

 

6. Gibt es etwas aus eurer Praxis, von dem andere lernen könnten?

Aus meiner Zeit als Kreisvorstandsmitglied im Flensburger Kreisverband (2016-2019) habe ich gute Erfahrungen und gute Erinnerungen, wenn thematische Schwerpunkte bei den Mitgliederversammlungen und in Workshop-Treffen vorbereitet, besprochen und für Aktionen vorbereitet werden. Wir haben seit Mitte 2018 ein Jahr lang die Kampagnen „Wohnen“ und „Pflege“ aufgenommen und über ein Jahr lang „beackert“ und wurden mit recht vielfältigen Aktionen in der Öffentlichkeit recht gut (und als thematisch kompetent) wahrgenommen und beachtet.

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