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Wolfgang Gehrcke, Wolfang Grabowski, Karin Kulow u.a.

Die internationale Politik und die Partei Die LINKE

Ein Positionspapier von Mitgliedern des Gesprächskreise Frieden und Sicherheit bei der RLS

Positionspapier, erarbeitet von Gehrcke, Wolfgang; Grabowski, Wolfgang; Kulow, Karin; Neelsen, John; Paech, Norman; Ruf, Werner; Schreiber, Wilfried; Wahl, Achim

Mitglieder des Gesprächskreise Frieden und Sicherheit bei der RLS

Berlin, Januar 2020

 

Die Welt, in der wir leben

  1. Das Zeitalter westlicher Vorherrschaft geht seinem Ende entgegen. Die 1991 mit dem Zusammenbruch des Realen Sozialismus, der Auflösung von Sowjetunion und Warschauer Pakt sowie der Aufgabe etatistischer Entwicklungsmodelle im globalen Süden erwartete langfristige  Hegemonie der USA und ihrer Verbündeten in Westeuropa (NATO) und Asien, denkt man an Japan, Südkorea und Australien, ist nicht nur politisch und militärisch erschüttert. Mehr noch gilt dies wirtschaftlich. Dabei hatte die von ihnen zu Gunsten ihrer Transnationalen Konzerne (TNK) vorangetriebene Strategie weltweiter neoliberaler Globalisierung, institutionell in IWF, Weltbank (WB) und WTO abgesichert, ihre internationale Vormacht auf Dauer materiell verfestigen sollen. Waren deren überlegene Wettbewerbsfähigkeit in einem arbeitsteiligen Weltmarkt die Voraussetzung, sollte die abhängige Entwicklung der Dritten Welt durch folgende Regelungen vorangetrieben werden:
    • Weltweite Vorherrschaft für das private Kapital durch Privatisierung/Entstaatlichung, Deregulierung und Weltmarktöffnung
    • Freien Kapitalverkehr und global gleiche Wettbewerbsbedingungen (level playing field)
    • Weltweite Verbreitung der metropolitanen Produktions- und Konsumweise basierend auf fossiler Energie
    • Ideologie des ‚trickle down‘: soziale Ungleichheit mit Konzentration und Akkumulation von Kapital in den Händen Weniger als Voraussetzung für die nachfolgende Verbesserung der Lebensverhältnisse der unteren Sozialschichten
    • Weltweite Verbreitung des metropolitanen Lebensstils mit Individualismus, Konsumismus, individueller Mobilität
    • Ausbildung einer nach Bildung und Konsumorientierung (westlichen) Mittelschicht, die nach westlichem Vorbild mehr politische Partizipation im Sinne einer repräsentativen Mehrparteiendemokratie einfordern wird und schließlich
    • Den Dollar als dominante Weltwährung   
  1. Spiegelbildlich zu diesem Abstiegstrend erfolgt der Aufstieg besonders der bevölkerungsreichen Staaten des globalen Südens, symbolisiert in der VR China, Brasilien und Indien. Ermöglicht wurde deren exportbasierte Entwicklung gerade durch die westlichen Transnationalen Konzerne, die im Zuge der neoliberalen Weltmarktöffnung neben der Erschließung neuer Märkte hier kostengünstige Standorte für die Teilproduktion der zerlegten Wertschöpfungsketten fanden. Der Sonderstatus als „Entwicklungsländer“ in der WTO erlaubt zudem Schutz und Ausnahmen vor überlegener internationaler Konkurrenz.                           

Ihrem wachsenden ökonomischen ein entsprechendes politisches Gewicht zu verleihen, fordern sie eine Änderung der westlich dominierten internationalen Institutionen, wie IWF und WB bzw. gründen alternative Institutionen wie die AIIB (Asian Infrastructure Development Bank), NDB (New Development Bank) bzw. CRA (Contingency Reserve Agreement). Gleichzeitig wurden neue regionale bzw. globale polit-ökonomische Projekte mit Schwerpunkt auf Süd-Süd-Kooperation aus der Taufe gehoben. Dazu zählen z.B. die drei-dimensionale chinesische BRI (Belt and Road Initiative), die russische EAEU (Eurasian Economic Union), die indische Moussam oder machtpolitisch die SOZ (Shanghai Organisation für Zusammenarbeit).

Darüber hinaus haben sich politisch gegenüber den marktwirtschaftskonformen bürgerlichen Mehrparteiendemokratien konkurrierende Modelle mit Staatsdominanz in Wirtschaft und Politik herausgebildet.

 

  1. Die tendenzielle Abkehr von neoliberaler Globalisierung und Multilateralismus begleitet von einer Aushöhlung internationaler Organisationen, von UN und Völkerrecht zu Gunsten einer absoluten Priorisierung nationaler Interessen ist besonders augenfällig in der „America First“ Politik unter Trump. Dazu zählen die Aufkündigung des Iran Nuklearabkommens, Anerkennung von Israels Annexions- und Siedlungspolitik, Ermordung von Soleimani im Irak, Anerkennung von Guiado in Venezuela, aber auch die Aufkündigung zwecks Neuverhandlung multilateraler Wirtschaftsverträge wie NAFTA, TPPA bzw. Blockierung der WTO durch Nichtbesetzung des Schiedsgerichts. Auch traditionelle Verbündete werden nicht ausgespart: so wird der Brexit begrüßt, Deutschland wegen seiner Exportüberschüsse, der Gaspipeline zu Russland (North Stream 2) bzw. zu geringer Militärausgaben gegeißelt. Beim Handelskrieg mit der VR China schließlich werden -faktisch von der EU unterstützt- vordergründig größere Handelsvorteile für die USA, letztlich aber ein Umsturz der ‚staatskapitalistischen‘ Modelle angestrebt. Eine Doppelstrategie charakterisiert die US-Politik: Auflehnung gegen den eigenen relativen Niedergang in Kombination mit Blockade des Aufstiegs von Konkurrenten.     
  1. Der Niedergang des Westens geht mit einer -teilweise von ihm selbst ausgehenden- Zersetzung der von ihm etablierten geopolitischen Ordnung, inkl. Sicherheitsarchitektur, einher. Der Umbruch zu einer multipolaren Welt ist geprägt von Unsicherheit, Nationalismus und wachsender Kriegsgefahr.  So stiegen die Rüstungsausgaben 2018 auf einen seit 30 Jahren nicht erreichten Spitzenwert von 1.8 Bio. $, angeführt von den USA mit 649 Mrd. oder 36% bzw. der NATO (1036 Mrd. oder 57 %) und China mit 250 Mrd. Ähnlich ist die Entwicklung beim internationalen Waffenhandel (über 100 Mrd.$). Es ist der Hintergrund für eine wachsende Militarisierung der internationalen Beziehungen, wobei Krieg und Kriegsdrohungen immer häufiger als Mittel der Politik eingesetzt werden (Koalition unter saudischer Führung im Jemen). Aus westlicher/US-amerikanischer geopolitischer Sicht wird neben Russland als traditionellem Feind zunehmend die VR China ins Visier genommen. Dabei werden alle Mittel, inkl. militärische, in Stellung gebracht: USA Budget 2020 738 Mrd. $, Cyberwar, Weltraum, vs. China 228 Mrd., Indien 69 Mrd., Russland 66 Mrd. $; Unterstützung Hongkong, Taiwan. 
  1. Zugleich wird die Einheit des imperialistischen Lagers auch von innen untergraben. Kooperation und Koordination werden durch Forderung nach Vasallentreue und Unterwerfung unter einseitig gefasste US-Beschlüsse ersetzt, aktiv von Washington die Zersetzung der EU betrieben (s.o. Brexit, Unterstützung der russophoben Wisegrad-Staaten). Die EU selbst ist politisch in der Flüchtlingsfrage, wirtschaftlich in der Austeritäts- und Schuldenfrage, neben North Stream II, gespalten, eine einheitliche außenpolitische und militärpolitische Politik fehlt; die internen politischen und ökonomischen Ungleichheiten und Gewichte haben sich vertieft, Deutschland ist in eine hegemoniale Rolle geraten (Erhard Crome), das deutsch-französische Verhältnis, Motor der Gemeinschaft, existiert mehr formell als substantiell. Die Furcht greift um sich, der Brexit könnte Schule machen, GB sich vor der Tür der EU als ein Billiglohnland etablieren. Anders als die USA, die ein weltwirtschaftlich und geopolitisch führender Akteur bleiben werden, ist die geowirtschaftliche Rolle Europas besiegelt. Dem wirtschaftlichen Niedergang folgt der politische.

 

 

Die internationale Situation zu Beginn des Jahres 2020

Die internationale Situation wird damit zu Beginn des Jahres 2020 durch folgende Faktoren charakterisiert:

  • Umfassende systemische Krise des kapitalistischen Systems,
  • Niedergang des US-Imperiums und gleichzeitige Zunahme seiner Aggressivität,
  • Aufkommen anderer Machtpole wie China, Indien, Russland und weiterer Regionalmächte (Türkei, Brasilien),
  • zunehmende Konkurrenz zwischen verschiedenen kapitalistischen Entwicklungsmodellen, d.h. Verstärkung der zwischenkapitalistischen Widersprüche,
  • offensichtliche Schwäche und Krise der Europäischen Union und ihr geringer internationaler Einfluss,
  • daraus resultierend, zunehmende Kriegsgefahr, vor allem im Kampf um den Zugang zu Rohstoffen,
  • Klimaveränderungen, die zusammen mit sozialer Not zu bedeutenden Migrationsströmen führen,
  • diese sind vor allem Resultat der weltweit durchgesetzten neoliberalen Politik und der daraus resultierenden Zerstörung von Staatlichkeit und
  • strategische Defensive linker, progressiver Kräfte, bzw. des Verlustes von errungenen politischen Positionen in der Auseinandersetzung mit neoliberaler Politik.

Daraus resultieren weltweit Tendenzen politischer Instabilität und regionale Konflikte und Krisen. Schwäche und Niederlagen linker Kräfte eröffneten Spielräume für die Gegenoffensive rechter Kräfte, die schon während der Präsidentschaft Obamas einsetzte, um den Niedergang des US-Imperiums aufzuhalten.

Der Kapitalismus der Finanzmärkte und der globalen Eliten

Wir haben es seit der umfassenden Krise 2007-2008 mit einem neuen Modell des Kapitalismus zu tun. Die Finanzialisierung ermöglicht die wachsende Bedeutung der Finanzmärkte, der Finanzinstitutionen und einer neuen Finanzelite, die die kapitalistische Wirtschaft beherrschen. Diese Entwicklung begann bereits in den 80-er Jahren mit der Beseitigung von Barrieren gegen die Kapitalmobilität. Die globalen Kapitalflüsse erhöhten sich von 5% des weltweiten BIP auf 20% im Jahr 2007. Gegenwärtig erhöhen sie sich dreimal schneller als die weltweiten Handelsströme. Die Folge war eine zunehmende Asymmetrie zwischen einzelnen Ländern, zwischen Ländern mit hohem Überschuss und Schuldenländern mit großen Defiziten in den laufenden Konten. Das führte zur Herrschaft des spekulativen Kapitals über das Industriekapital. Die Finanzialisierung und neoliberale Restrukturierung der Weltgesellschaft verstärken die Widersprüche des kapitalistischen Systems, in der sich alle zu Rentiers entwickeln. Mehr und mehr konzentriert sich der Aktienbesitz in den Händen von „Finanzvermittlern“ des Typs Hedge Fond, Pension- oder Rentenfond. Beispielhaft seht dafür das Unternehmen BlackRock & Co. Im April 2018 war BlackRock der größter Einzelaktionär bei einem Drittel der DAX-Unternehmen der BRD wie der Deutschen Bank, der Lufthansa, der Bayer AG, BASF, der deutschen Börse und der Vonovia. Weltweit ist BlackRock die größte Vermögensverwaltungsgesellschaft mit einem Vermögen von (2019) 6.840 Milliarden US-Dollar, überwacht 30.000 Investmentportfolios, womit sie über ca. 10% aller Geldvermögenswerte weltweit verfügt (das entspricht dem Zehnfachen der Staatsschulden der BRD). Sie verwalten Vermögen großer US-Pensionsfonds und Staatsfonds von Ländern und sind Großaktionäre von Großbanken, Erdöl- und Industrieunternehmen, d.h. sie sind in der Realwirtschaft genauso dominant vertreten wie in der Finanzwirtschaft.

Die Superakkumulation des Kapitals wird begleitet von der Senkung der Reallöhne und Gehälter und führt zu einem System der Staats- und Privatverschuldung (BRD - 61,9% des BIP – 2018, Privatverschuldung 30.170 € pro Kopf der Bevölkerung). Im System des Kapitalismus ist der Norden stark abhängig von der Ausbeutung des Südens, was mit der Verlagerung von Produktionsstätten verbunden ist. Mit einer möglichen Ausnahme Chinas, in dem diese Entwicklung zur Formierung einer eigenen Kapitalistenklasse führte, wird in der Mehrheit der Länder des Südens die industrielle Entwicklung behindert. Ursache dafür sind vornehmlich die Rückführung der Gewinne in die Industrieländer des Nordens, die Zerstörung von Staatlichkeit durch die mit der Neoliberalisierung verbundene Privatisierung und die dadurch endemisch wachsende Korruption.

Diese Entwicklung zeigt die Unfähigkeit dieses Modells, die inneren Widersprüche des Systems zu lösen. Immer mehr Menschen sind von den Auswirkungen dieser Entwicklung betroffen, wenn Lohnerhöhungen ausbleiben, die Verschuldung zunimmt und der öffentliche Sektor mehr und mehr in die Hände dieser Finanzmanipulationen gerät. Mit der IT-Revolution stellt sich verschärft die Frage nach der Sicherheit herkömmlicher Arbeitsplätze. Der Arbeitsmarkt wird stark polarisiert und das Anwachsen von informellen Arbeitsplätzen niedriger Qualifikation (bes. im Dienstleistungsbereich) kollidiert mit der abnehmenden Zahl von Arbeitsstellen in hochqualifizierten Bereichen der IT-Wirtschaft. Hinzu kommt die systematische Verschärfung des brain drain, der die Gesellschaften der Dritten Welt qualifizierter Arbeitskräfte beraubt. Die kapitalistische Produktionsweise neoliberaler Prägung verstärkte den Individualismus, den Überkonsum und das Streben nach Reichtum.

Soziale Folgen sind vorprogrammiert, von denen Lohnabhängige mit mittleren Einkommen nicht verschont bleiben. Ein großer Teil Lohnabhängiger der traditionellen Industrieländer hat den Zug des „Fortschritts“ verloren und ist in die „satanischen Mühlen“ (Karl Polanyi) des Kapitalismus geraten.

2019 - Jahr des Unmuts und Jahr der Rebellionen

Das Jahr 2019 war das Jahr des Unmuts, der sich in vielen Ländern der Welt in Protesten unterschiedlichen Charakters und unterschiedlicher Stärke manifestierte.

Soziale Proteste wie die Streiks und die der Gelbwesten in Frankreich lösten sich ab mit umfassenden Aktionen für Klimaschutz in zahlreichen Ländern, die insbesondere durch die Jugend wie die „Fridays for Future“ getragen werden. Weltweite Proteste von Hong Kong bis Chile und in anderen Teilen der Welt zeugen von wachsendem Unmut vieler Menschen mit den herrschenden Verhältnissen. Es geht um die Verteidigung der Demokratie wie auch um die Durchsetzung sozialer Rechte. Letztlich sind sie eine Reaktion auf die umfassende Krise des kapitalistischen Systems. Aber auch eine Reaktion auf die Zunahme sozialer Unsicherheit und von Zukunftsangst, die sich in breiten Kreisen der Bevölkerung ausbreitet und auf die die Politik keine befriedigenden Antworten bietet. Hier sind auch die Ursachen für die Verstärkung rechter Tendenzen zu suchen.

In Lateinamerika richten sich diese Proteste gegen den wiederkehrenden Neoliberalismus und die Folgen der neoliberalen Politik wie in Chile, Ecuador und Kolumbien. Nach dem Putsch gegen Evo Morales sind es vor allem die Indigenen, die gegen die Welle des Rassismus und der Diskriminierung protestieren. In Mexiko und auch Argentinien waren die Präsidentschaftswahlen Ausdruck für die Ablehnung der unsozialen Politik ihrer Regierungen. Ein besonderes Kennzeichen dieser Proteste ist der hohe Anteil von Frauen, die sich beteiligen.

Der arabische Raum war 2019 gekennzeichnet durch gewaltige Protestbewegungen in Algerien, Sudan, Libanon, Irak, die wie eine Neuauflage des „arabischen Frühlings“ anmuteten, größtenteils relativ friedlich, aber sehr nachhaltig waren. Gründe sind das Elend und die Perspektivlosigkeit vor allem der Jugend. Die Proteste richteten sich gegen die nach 2011 restaurierten autoritären und korrupten Systeme. Religiöse und ethnische Identifizierungen wurden abgelehnt, ja als Mitursache der weiteren Verelendung bekämpft.

Friedensfrage und Klimafrage bilden eine untrennbare Einheit

Eine konfrontative Außen- und Sicherheitspolitik sowie eine Politik, die gleichzeitig die Klimafrage lösen will, sind ein Widerspruch in sich. Dieser Widerspruch ist bereits im August 1945 mit den Atombombenabwürfen der USA auf Hiroshima und Nagasaki offen zutage getreten. Seit ca. 75 Jahren besteht die größte Klimabedrohung für die Menschheit in der Gefahr eines Kernwaffenkrieges.

  • In den 1970er und 1980er Jahren diskutierte die Friedensbewegung die Gefahr eines „nuklearen Winters“ und trug damit zu dem umfangreichen Vertragswerk einer nuklearen Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung in diesen Jahren bei.
  • Die Erkenntnis einer realen radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre durch zahlreiche Kernwaffenversuche führte zum Kernwaffenteststopp-Vertrag von 1996. Dieser Vertrag ist allerdings nie in Kraft getreten, da er von den Staaten, die über Nukleartechnologie verfügen, nicht ratifiziert wurde.
  • Die Aufrechterhaltung eines riesigen Kernwaffenbestandes bei den Großmächten ließ die latente Gefahr eines Kernwaffenkrieges bis heute bestehen bleiben.
  • Mit der Aushebelung des bestehenden nuklearen Rüstungskontrollregimes (Kündigung des ABM-Vertrags 2001 und des INF-Vertrags 2019 durch die USA) sowie einer irrationalen Eskalation der Konfrontation zwischen den Großmächten in der Gegenwart tritt die Frage der Klimafolgen eines möglichen Kernwaffenkrieges erneut und verstärkt auf die Agenda der Weltgeschichte.

Wenn es der weltweiten Friedensbewegung nicht gelingen sollte, die Gefahr eines allgemeinen Kernwaffenkrieges nachhaltig zu bannen, wäre eine Lösung der Klimafrage obsolet, da die vielfältig destruktiven Auswirkungen eines Atomkrieges ohnehin die Auslöschung der menschlichen Zivilisation bedeuten würden.

Letztlich geht es aber nicht nur um die klimatischen Folgen eines Atomkriegs. Die weltweite Kriegsmaschinerie erweist sich auch ohne Kernwaffen als gefährliche Klima- und Umweltbedrohung.

  • Jeder konventionelle Krieg und jedes Großmanöver bedeuten durch CO²-Ausstoß, Feinstaubemissionen und Zerstörung en der Infrastruktur für Verkehr und Kommunikation eine gewaltige Umweltverschmutzung und Gefährdung aller Lebensgrundlagen.
  • Militär und Krieg bedingen generell eine riesige Verschleuderung von Ressourcen, die eine Lösung andere Lebensprobleme der Menschheit verhindern.
  • Der Einsatz von Militär ist vor allem die Ursache von Flucht und Vertreibung sowie die destabilisierenden Auswirkungen der Migrationsströme auf die Herkunfts- und Zielländer.

Wer Klima und Umwelt schützen will, darf nicht zulassen, dass die Völker ständig durch Krieg und Konfrontationspolitik bedroht werden.

Diesen Zusammenhang beharrlich deutlich zu machen ist vor allem als Chance für eine volksnahe Friedenspolitik der Partei DIE LINKE und auch für eine Orientierung auf positive Ziele zu begreifen.

Die Schanghaier Organisation, Russland und China

 

Oft begegnet man der Frage, ob es eine Gegenkraft gegen den Wahnsinn gibt, eine Stimme der Vernunft. Da wäre in erster Linie an die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zu denken, die fast die Hälfte der Menschheit repräsentiert. Ihr letztes Gipfeltreffen fand zur gleichen Zeit wie der Leipziger Parteitag statt. Und es wäre sinnvoll gewesen, wenn dieser sich dazu verhalten hätte. Denn verhandelt wurden auf dem Gipfel grundlegende Entwicklungen in der Welt nach dem Amtsantritt von Trump, Zukunftsvorstellungen für eine demokratische Weltentwicklung ohne Sanktionen und Konfrontation. Es ging um eine multipolare Welt, die auf Basis der friedlichen Koexistenz und des Interessenausgleichs beruht. Die SOZ ist Ausdruck grundsätzlicher geostrategischer Veränderungen. Im UN- „Bericht über die menschliche Entwicklung“ für 2013 wurde prognostiziert, dass bis 2020 die Wirtschaftsleistung allein von China, Indien und Brasilien die Gesamtproduktion von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und der USA übersteigen wird. Das sei nicht weniger als eine epochale Verschiebung der globalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse (ND, 15.03.2013). Im Bericht heißt es, dass diese Fortschritte auf eine pragmatische Politik zurückzuführen sind, in der Regierungen proaktiv handeln, statt sich von den Marktkräften das Geschehen diktieren zu lassen. Als besonders zielführend werden entschlossene sozialpolitische Reformen und Investitionen in Menschen vor allem durch die Förderung der Bildungschancen benannt. Der Osten habe sich von der neoliberalen Blaupause verabschiedet und geht eigene Wege. Ein großangelegtes, bisher sehr erfolgreiches Experiment, einschließlich des Jahrhundertprojekts der neuen Seidenstraße, von der der Westen nur träumen kann.

Mit einem historischen Schritt ist die SOZ in die Weltgeschichte eingetreten. Am Anfang stand die vertraglich geregelte Friedenslösung an einem riesigen, 7.000 km langen Grenzabschnitt. Dort, am Ussuri hatte es einen blutigen Krieg zwischen der Sowjetunion und der VR China gegeben.

Die Linke nimmt den Osten/Süden zu wenig zur Kenntnis. Sollten wir aber, und würden einen potenten und immer stärker werdenden Partner im Friedenskampf finden. Es wächst eine Kraft, die dem gefährlichen Streben der USA nach Weltdominanz, dem aggressiven Vorgehen der NATO Paroli bieten kann. „Chinas Außenpolitik arbeitet so still wie systematisch auf eine Umgestaltung der internationalen Ordnung hin. Es ist absehbar, dass das Zeitalter der westlich dominierten internationalen Institutionen zu Ende gehen wird“ (Sebastian Heilmann, SZ, 09.10.2014). Die Entwicklungen im Osten/Süden sind selbstverständlich nicht per se als links zu verorten. Sie gehören aber in den Fokus linker Analyse. Natürlich ist die nachholende kapitalistische Entwicklung, die Öffnung zum kapitalistischen Weltmarkt nicht zu übersehen, also zu bedenken. Aber eine vereinfachende Gleichsetzung mit dem westlichen neoliberalen Modell als Imperialismen chinesischer, russischer, indischer oder brasilianischer Couleur, wie man nicht selten auch von Linken hört, die Multipolarisierung der Welt nur als Konkurrenzverhältnis imperialistischer Akteure zu betrachten, ist fraglich und hält einer objektiven, komplexen Analyse, nicht stand, die noch aussteht. Die Staaten des Ostens und Südens formieren sich ausgehend von ihren Interessen, ihrer wachsenden Potenz, ausgehend von den Erfahrungen und Ergebnissen des Zusammenbruchs der Sowjetunion und der Warschauer Vertragsorganisation sowie der Nachwendeentwicklungen. Die Machteliten in China und Russland akzeptieren die Marktwirtschaft, sind aber zugleich der Auffassung, dass die entscheidenden Entwicklungsstränge in der Hand des Staates bleiben, vom Staat gesteuert werden müssen. Und viele der Staatskonzerne, Russlands z.B., weisen eine höhere Effizienz als renommierte westliche privatkapitalistische Unternehmen auf und haben sich in der Krise bewährt (Handelsblatt vom 31.Mai 2010). Das stellt für die Privatisierungsfetischisten im Westen eine zentrale Herausforderung dar. Dies und die beharrliche Einforderung ihrer Eigenständigkeit sind der eigentliche Dorn im Auge der Neoliberalen, der Kern des gegenwärtigen Ost - West - Konfliktes. Der Osten hat die territoriale Ausdehnung, die natürlichen Reichtümer, die qualifizierten und in 2 Gesellschaftssystemen erfahrenen Bürger, um eigene Wege zu gehen, eigenen Werten zu folgen und auch ihre Interessen durchzusetzen.

Nicht zu unterschätzen ist ihre Geschichte des antiimperialistischen Befreiungskampfes, der tiefe Wurzeln hinterlassen hat. Die Erfahrungen mit dem Kolonialismus und dem Rassismus des Westens, die zugefügten Demütigungen, Opfer, Zerstörungen und der Volkskampf dagegen bleiben noch für lange Zeit identitätsstiftend. Der Stolz auf den Sieg über den Faschismus wird in Russland noch lange von fundamentaler Bedeutung bleiben.

Die Ost- und Südmächte sind auf Grund ihrer Interessenlage und erfolgreichen Entwicklung ein starkes Antikriegsbollwerk. Ob es gefällt oder nicht: von prinzipieller Bedeutung für die strategische Weltlage und den Frieden ist, dass Russland den USA als ebenbürtige Atommacht entgegentreten kann. Das russische Abschreckungspotential ist die entscheidende Barriere für Kriegsabenteurer. Es eröffnet Möglichkeiten für Abrüstung und Entspannung, schärft den Blick für die Realitäten.

Natürlich wollen sich USA und NATO nicht mit den strategischen Einflusseinbußen abfinden. Deshalb der „Drang nach Osten“, die Destabilisierungsversuche, die Politik des Regime Change, das Antiraketensystem, die gefährliche Zuspitzung der Lage im Nahen Osten und Zentralasien, in der Ukraine.

Die Linke muss sich stärker mit westlicher Aggressivität und Vormachtstreben auseinandersetzen. Sie ist verpflichtet, die Ursachen für die Spannungen und Flüchtlingsströme, für Nationalismus und Neofaschismus zu analysieren und anzuprangern, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung aufzugreifen. Linke Realpolitik hat nur dann eine Chance, wenn dafür breite Initiativen und Bündnisse einstehen und durch die Linke gefördert werden.

 

Es ist notwendig, dass sich Die Linke stärker mit Russland und der Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen beschäftigt. Es ist ungeheuerlich, dass 75 Jahre nach der Zerschlagung des faschistischen deutschen Reiches vor allem durch die Sowjetunion durch deutsche Funktionseliten in Politik und Medien eine absurde und gefährliche Russophobie betrieben wird. Dem ist durch die Linke energisch entgegenzutreten, so wie es die Autoren und Unterzeichner des Appell 60 und der Denkschrift des Willy-Brand-Kreises, dem Vermächtnis von Egon Bahr, niedergeschrieben haben. Leider von uns nicht groß beachtet. „Die Eiszeit“ ist unerträglich, wie Gabrielle Krone-Schmalz vortrefflich in ihrem Buch beschreibt. Oder Horst Teltschik, der Sicherheitsberater von Kohl und Spitzendiplomat während der Verhandlungen über die deutsche Einheit in seinem unlängst erschienenen Buch „Russisches Roulette. Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden“. Eine interessante Lektüre für Linke. Die Linke sollte das Bollwerk für gute Beziehungen sein und Druck auf die Regierung ausüben. Und sie hätte dafür eine gute Grundlage und könnte erfolgreich sein. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will keine Feindschaft mit Russland, trotz des antirussischen propagandistischen Trommelfeuers, das nun schon Jahren dauert und nicht erst seit den Ereignissen um die Krim. Mit dem russischen Thema kann man sogar Wahlen im Osten gewinnen, wie die AfD mit ihrer scheinheiligen prorussischen Wahlkampagne unter Beweis stellte. Wir sollten auch auf diesem Feld die Auseinandersetzung mit der AfD nicht scheuen und Aktivitäten mit den vielen Russischsprachlern, also nicht nur den sogenannten Russlanddeutschen entfalten, Bürgergespräche, Wahlveranstaltungen, Straßenfeste mit Pelmeni und Borschtschch, Kinderfeste u. ä. Noch sind viele aktiv, die in der Sowjetunion studiert oder z.B. an der Trasse der Freundschaft gearbeitet haben. Die nicht selten auch in Führungskreisen der Linken zu beobachtende Ambivalenz im Verhältnis zu Russland, Äquidistanz zu Russland und den USA lädt dazu nicht gerade ein. Gute Beziehungen mit Russland müssen deutsche Staatsräson werden. Dafür sollte sich die Linke stark machen.

 

Die Nahostprobleme und die LINKE

 

  1. Für eine stabile Sicherheitsarchitektur

 

Zu den Hauptbestandteilen eines linken Alternativkonzepts sollten mit an vorderster Stelle Vorschläge für die Herausbildung einer stabilen Sicherheitsarchitektur in der Nah- und Mittelostregion gehören.

Diese Region ist Europas unmittelbarer geografischer Nachbar, dortige Instabilitäten richten sich nachweislich in vielerlei Hinsicht immer unmittelbarer auch gegen europäische und deutsche Interessen; wobei die weiter anwachsende Konfliktgeladenheit in hohem Maße auch das Ergebnis bisheriger verfehlter westlicher Politik ist. Vom weiteren Verlauf des Israel-Palästina-Konflikts hängt wesentlich ab, inwieweit hier dauerhaft Stabilität und Sicherheit erreicht werden können. Vor dem Hintergrund der antisemitischen deutschen wie europäischen Vergangenheit erwächst eine spezifische Verantwortung nicht nur gegenüber dem Staat Israel, sondern auch gegenüber dem Recht auf nationale Selbstbestimmung für das palästinensische Volk.

Die von den USA nach dem Ende des Realsozialismus beanspruchte alleinige Hegemonie für sich und den Westen ist – wie auf internationaler Ebene – auch hier komplett gescheitert. In Realisierung dieses alleinigen Führungsanspruchs befindet sich die Nah- und Mittelostregion in einem bis dato nicht gekannten Chaos von Gewalt und Gegengewalt. Zum Zwecke von Regime-Change-Bestrebungen angezettelte kriegerische Auseinandersetzungen haben die Existenzgrundlagen gleich mehrerer Staaten nachhaltig erschüttert. Der 2015 zustande gekommene Atom-Deal mit Iran - ein Modellbeispiel für die erfolgreiche Suche nach einem Ausgleich zwischen divergierenden Interessenlagen - wurde willkürlich von der Trump-Administration aufgekündigt. Die stattdessen betriebene verstärkte Sanktions- und Konfrontationspolitik ist nicht nur zum Schaden Irans. Sie heizt die ohnehin brisante Lage in der Region noch zusätzlich an und lässt die Gefahr eines neuen verheerenden Krieges latent werden. In der Palästinafrage – wie ebenso in Bezug auf die syrischen Golan-Höhen - soll nach dem Willen und Handeln der Trump-Administration das Völkerrecht fortan nicht mehr gelten. Weiteren Annexionsbestrebungen der herrschenden israelischen politischen Klasse werden demgegenüber Tür und Tor geöffnet und damit willentlich die Grundlage für zusätzliche Spannungen im israelisch-palästinensischen Verhältnis gelegt. 

Angesichts dieser Trumpschen Willkürpolitik erweisen sich Bekundungen der EU und Deutschlands, als konstruktive weltpolitische Player agieren zu wollen, als hohle Phrasen; insbesondere die von der Bundesregierung bei ihrer Bewerbung für den aktuellen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat postulierte eigene Konfliktlösungskompetenz. Weder hat sich die Bundesregierung mit ihren EU-Verbündeten – entgegen allen Absichtserklärungen – bislang als fähig erwiesen, den Atom-Deal wirksam am Leben zu erhalten. Noch ist sie bereit und willens, sich für eine tragfähige Lösung des Israel-Palästina-Konflikts zu engagieren. Die Crux besteht in der anhaltenden Unterordnung unter US-amerikanische Interessen. Solange sich jedoch europäische und deutsche Politik im engen Korsett des Transatlantismus bewegt und die so genannte westliche Wertegemeinschaft als normative Grundlage für die Gestaltung der internationalen Beziehungen ansieht, werden die EU und Deutschland nicht in der Lage sein, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Schon gar nicht, wenn die USA dies mit militärischem wie anderem Druck zu erzwingen suchen.

 

  1. Für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in der Nah- und Mittelostregion

Wenn es um Vorschläge für einen Paradigmenwechsel in der nah- und mittelöstlichen Sicherheitsstruktur – weg von dem zerstörerischen Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt hin zu nachhaltiger Stabilität und Sicherheit – geht, so dürfte ein Schlüssel dafür der gesamtregionale Ansatz sein. Weil nur so der Komplexität und Vielfalt der dortigen Konflikt- und anderen Problemfelder am ehesten zu entsprechen wäre. Auch die dringend notwendige Suche nach einer tragfähigen Lösung des Israel-Palästina-Konflikts ließe sich zumindest insofern erleichtern, als dann auch der mit Israel verfeindete Iran darin eingebunden wäre und sich Israel – mit Unterstützung der USA – nicht weiter allein auf bilaterale Verhandlungen zum alleinigen eigenen Vorteil versteifen könnte.

Die verschiedentlich immer mal wieder - darunter auch schon von Frank-Walter Steinmeier noch in seiner Funktion als Außenminister - in die Debatte gebrachte Idee einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in der Nah- und Mittelostregion (KSZNMO) verdient es, nunmehr entschlossen verfolgt zu werden. Allen zu erwartenden Schwierigkeiten und Widerständen zum Trotz. Durchaus orientiert an dem Anfang der 1970er Jahre zwischen den damaligen beiden antagonistischen Gesellschaftssystemen ausgehandelten Helsinki-Prozess, aus dem hernach die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KSZE) hervorging und die seit 1995 als Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) fortbesteht. Und unter Berücksichtigung einer wichtigen Lehre aus allen diesen Vorgängen: Das Zustandekommen der KSZE war Ausdruck einer Abmachung, bei der alle Seiten gegeben und erhalten haben. Alle Beteiligten sahen sich als Gewinner. Eine zweite wichtige Lehre stellte ihr Prozesscharakter dar, bei dem es allerdings gleichzeitig des Einsatzes entschlossener Kräfte bedarf, Erreichtes zu verteidigen und weiterführende Schritte zu unternehmen. Als ein Vorzug der KSZE erwies sich, gerade in Krisensituationen an der friedlichen Kooperation festzuhalten und auch erste Schritte zur militärischen Vertrauensbildung einzuleiten. Wenngleich mit ihr auch keine konfliktlose Idylle entstanden war.

Die Verfolgung dieser Idee einer KSZNMO als Schlüssel für die Herbeiführung einer nachhaltigen Sicherheitsarchitektur in der nah- und mittelöstlichen Region ist umso bedeutsamer, als von iranischer Seite in diese Richtung bereits mehrere konkrete Vorschläge unterbreitet worden sind. Allesamt von westlicher Politik wie Mainstream-Medien ignoriert, weil sich ansonsten Iran nicht so einfach als Feindbild und Rechtfertigung für die eigene kriegerische Politik in der Region hinstellen ließe. Aber auch die mit der Trump-Administration in der antiiranischen Konfrontationsachse verbundenen Regionalmächte Saudi-Arabien und Israel haben sich bislang zurückgehalten.

So hat sich der iranische Außenminister bereits wiederholt, darunter auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2018, für die Bildung von Dialogforen mit dem Ziel der Etablierung einer stabilen Sicherheitsstruktur in der Golfregion ausgesprochen. Ein Vorschlag, der vom UN-Generalsekretär ausdrücklich goutiert worden ist. Zustandekommen soll ein Prozess des arabisch-iranischen Dialogs, der gegenseitigen Verständigung und eines weitreichenden Engagements. Im Zuge dessen sowie begleitet von vertrauensbildenden Maßnahmen sollen dann gegenseitige Nichtangriffsabkommen vereinbart und die zwischenstaatlichen Beziehungen auf der Basis friedlicher Koexistenz gestaltet werden. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den seinerzeitigen Helsinki-Prozess soll am Beginn eine Prinzipienerklärung stehen, in der die in der UN-Charta verankerten Grundprinzipien festgeschrieben sind und als besondere hervorgehoben werden: die Respektierung der legitimen Interessen aller Beteiligten; der Verzicht auf jegliche Hegemoniebestrebungen; die Beendigung des Wettrüstens, die Akzeptanz von Unterschieden sowie die Errichtung von Sicherheitsnetzwerken zum gegenseitigen Vorteil.

Auch der vom iranischen Präsidenten auf der 74. Tagung der UN-Vollversammlung 2019 unterbreitete Vorschlag zur Bildung einer Allianz der Hoffnung läuft im Grunde genommen auf die Idee einer KSZNMO hinaus. Konkret beinhaltet er die Orientierung auf ein regionales Sicherheitskonzept für den Persischen Golf, welches darauf beruhen soll, die Sicherheit der Öl-Transportroute wie der freien Schifffahrt hier allgemein, durch die Anrainerstaaten selbst und nicht durch ausländische Mächte zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wird von ihm gleichzeitig die Bereitschaft signalisiert, noch mit anderen Golfstaaten bestehende Differenzen auszuräumen.

Zweifellos könnten diese Vorschläge, nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Abbau der Spannungen in der Golfregion leisten. Ebenso könnten sie als Blaupause für die Herbeiführung einer stabilen Sicherheitsarchitektur in der gesamten Nah- und Mittelostregion dienen. Mit der gleichzeitig weitreichenden historischen Konsequenz, dass sie vom Wesen her darauf hinauslaufen,

die vom Westen unter dem Vorwand der Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten beanspruchte Vormachtstellung obsolet zu machen und erstmalig in der neueren Geschichte die Regionalordnung eigenständig auf der Basis des Prinzips der friedlichen Koexistenz und eines tragfähigen Interessenausgleichs zwischen ihnen zu bestimmen;

die hauptsächlich durch Interessen ausländischer Mächte determinierten Gegensätze und Feindseligkeiten zu überwinden und regionale politische und wirtschaftliche Kooperationen zum gegenseitigen Nutzen zu entwickeln und so dem zerstörerischen Trend der Aufrüstung und beständiger Kriege ein Ende zu setzen;

die Unvereinbarkeit von Israels Anspruch auf seine sichere Existenz in der Region mit dessen gleichzeitigem Streben nach Fortsetzung seiner völkerrechtswidrigen Siedlungs- und Annexionspolitik zu Lasten der Palästinenser*innen unmissverständlich offenzulegen.

Bei allen zu erwartenden Schwierigkeiten und Widerständen muss es vorrangig darum gehen, ein solches selbstbestimmtes Konzept regionaler Sicherheit ohne ausländische Einmischung zu unterstützen. Langfristig könnte sich dies als ein wichtiger Meilenstein für eine dauerhafte Befriedung der Nah- und Mittelostregion erweisen.

 

Für eine konsequente, nachhaltige und Friedenspolitik der Partei Die LINKE

 

Angesichts der sich immer dramatischer verändernden Welt und damit einhergehender immer erratischerer Politik der Trump-Administration sowie der gleichzeitig zunehmend grotesker werdenden Devotion europäischer wie deutscher Politik gegenüber den USA stellen sich neue Herausforderungen für die internationale Politik der Partei DIE LINKE.

Als – gemäß dem Erfurter Programm - selbsterklärte internationalistische Friedenspartei geht es für sie darum, in der Frage von Krieg und Frieden in die strategische Offensive zu gelangen. Neben einem entschlossenen Eintreten gegen Militäreinsätze der Bundeswehr und für die Beendigung von Rüstungsexporten sowie anderen friedenspolitischen Aktionen bedarf es eines schlüssigen Alternativkonzepts zum neo-liberal geprägten Weltordnungsstreben. Umso Einfluss auf Richtung und Verlauf des öffentlichen Diskurses zu nehmen und darauf basierend entsprechenden Druck – parlamentarischen wie außerparlamentarischen - auf die Regierenden auszuüben sowie zur weltweiten Sammlung der Friedenskräfte beizutragen.

Offensichtlich gefragt ist eine neue Entspannungspolitik für Europa und die Welt - anknüpfend an die Verständigungspolitik der SPD unter Willy Brandt in den 1970er Jahren.

  • Das heißt, eine solche Politik, welche sich strikt und umfassend von der Friedenslogik leiten lässt als Alternative zur bislang vornehmlich militärisch definierten Sicherheitslogik.
  • Eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, die den in der UN-Charta verankerten Prinzipien, darunter dem Recht der Völker auf nationale und soziale Selbstbestimmung, der strikten Achtung der Souveränität und territorialen Integrität aller Staaten sowie dem Verbot der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, wieder zum Durchbruch zu verhelfen und alle gegenteiligen Versuche der USA und deren westlichen Alliierten zu unterbinden, um so das Völkerrecht zur Norm des internationalen Zusammenlebens im 21. Jahrhundert zu machen und die Rolle der UNO als oberstes Gremium der internationalen Rechtsordnung zu stärken;
  • Frieden als Grundlage jeglichen zivilisatorischen Fortschritts, einschließlich der Überwindung solcher strukturellen Konfliktursachen wie Hunger, Armut und anderer Formen der Unterentwicklung ansieht;

strikt auf Konfliktprävention und auf eine entschlossene Durchsetzung politischer Konfliktlösungsmechanismen auf der Grundlage tragfähiger Interessenausgleiche ausgerichtet ist.

 

Was tun aus linker außenpolitischer Perspektive?

Grundsätzlich gilt es, vom Konzept der ‚Westlichen Wertegemeinschaft‘ Abschied zu nehmen. Stattdessen geht es um eine geopolitisch langfristige VISION gegründet auf Frieden, Geltung des Völkerrechts und nachhaltige Entwicklung. Dies setzt eine echte multipolare Welt im Verein mit einer öko-sozialistischen Ordnung voraus. Eckpunkte für Deutschland und die EU sind:

  • Aufgabe des die Kriegsgefahr erhöhenden Vasallentums gegenüber den USA, Entwicklung einer wahren strategischen Autonomie in einer multipolaren Welt.       Dazu gehören Wahrung des Völkerrechts, Nicht-Intervention in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, Ablehnung von Kriegsdrohung, inkl. Gegenwehr gegen exterritoriale Sanktionen, Austritt aus der NATO.
  • Aufgabe von Russo-Phobie und antirussischen Sanktionen zu Gunsten einer Verständigung mit Russland als Partner im „Europäischen Haus“
  • Statt Aufbau eines Feindbildes und wachsender Ablehnung Kooperation mit China in der Seidenstraßeninitiative, inkl. Infrastrukturprojekte in Griechenland, Ungarn, Hafenausbau.  
  • Europa als Friedensprojekt, d.h. zunächst eine Neugründung gefolgt von Abkehr vom Neoliberalismus (Lapavitsas, The Left against the EU, 2019)
  • Europa als Vorreiter der ökologischen Wende hin zu Ökosozialismus (gegen marktbasierten ‚European Green Deal‘), massiver Technologie- und Finanztransfer in die Arme Welt, den bes. vom Klimawandel betroffenen Opferstaaten, hier Afrika.   
  • Suche und Ausnutzung der Friktionen, die sich in der herrschenden Klasse, besonders aber im Verhältnis Nord – Süd ergeben,
  • Verstärkte Anstrengungen in der Analyse ökonomischer Erscheinungen und Entwicklungen und bes. Ausrichtung der Politik auf soziale Fragen,
  • Nutzen der Möglichkeiten der umfassenden Krise des Systems und Suche nach Konfrontationen mit dem Finanzkapital (Beispiel Mietendeckel in Berlin),
  • Kampf gegen die Herrschaft des Neoliberalismus und die Finanzialisierung. Da die Herrschaft des internationalisierten Kapitals von hier ausgeht, muss er hier erfolgen. Die Proteste in der Peripherie werden nicht genügen, um strukturelle Veränderungen zu erkämpfen.
  • Erarbeitung eines Konzeptes für eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa und der Stärkung der Rolle der UNO, besonders der UN-Vollversammlung.

Diese Aufgaben müssen in Programm und Aktion der LINKEN Eingang finden, um Veränderungen in Richtung auf eine menschenwürdige und damit zunehmend konfliktfreie Welt zu erreichen.

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