Die Klimakatastrophe - Zeit für Ehrlichkeit.
Immer wieder wird davon geredet, dass Arbeitsplätze wichtiger sind als nachhaltige Politik. Immer wieder wird darüber geredet, dass man Menschen in Deutschland doch nicht zu viel zumuten darf. Immer wieder wird davon geredet, dass Nachhaltigkeit Spaß machen muss. Immer wieder wird davon geredet, dass das Leben an Qualität gewinnen wird, wenn wir denn die ökologische Wende schaffen.
Das ist entweder ignorant, verlogen oder naiv. So zu tun als könnten wir unseren Status quo retten ist Betrug.
1. Gemeinschaft vor Individuum
Die Katastrophe kommt und gefährdet unserer aller Überleben. Nichts kann wichtiger sein. Ohne eine nachhaltige Politik mit radikalen Einschnitten steuern wir mit Volldampf auf die Katastrophe zu. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir schnellstens eine ökologische Wende einleiten, die zwangsläufig zigtausende Arbeitsplätze abschafft. Es geht schon lange um Menschenleben. Individuelle Rechte und Ansprüche auf „Konsumfreiheit“ müssen hinter der Transformation und damit dem Schutz der Natur als Allmende stehen.
2. Internationale Solidarität
In Deutschland verbrauchen wir so viele Ressourcen als hätten wir drei Erden. Wenn man alle ökologischen Kosten unseres Konsums ehrlich einrechnet sogar noch mehr. Die Opfer sind Menschen im globalen Süden und die zukünftigen Generationen. Schon jetzt verursachen anthropogene Dürren und Luftverschmutzung Millionen Menschenopfer. Wir, als Linke, müssen uns klar dagegen positionieren. Die Kluft zwischen Grundbedürfnissen und dem, was als Recht zum Konsum empfunden wird, ist weit auseinander. Selbst die ärmeren Bevölkerungsschichten hier leben auf Kosten anderer. Das widerspricht jeglicher Idee von Solidarität und Gerechtigkeit. Wir sollten ehrlich sein und unsere Ideale nicht weiter verraten. Niemand darf auf Kosten anderer leben. Wir müssen unsere Politik daran ausrichten.
3. Nicht Spaß, sondern Notwendigkeit
Wir sind in der deutschen Lebenswelt so weit weg von Nachhaltigkeit, dass massive Einschnitte in unseren Konsum notwendig sind. Da dürfen wir nicht drum rumreden. Wir müssen endlich verstehen, dass es wehtun wird, und das auch kommunizieren. Nachhaltige Politik muss nicht Spaß machen, sondern sie muss vor allem eines: Menschliche Lebensgrundlagen sichern. Entweder wir gehen das jetzt richtig an oder wir können es gleich lassen. Nur noch radikale Einschnitte können uns eine Überlebenschance geben. Nicht mal radikale Einschnitte würden das Unrecht und Elend, dass wir durch unseren Lebensstil weltweit verbreiten, wieder gut machen. So oder so haben wir eine Verantwortung. Wenn es um das blanke Überleben geht, können wir es uns nicht leisten, über Beschäftigte in der Autoindustrie zu sprechen. Auch die können auf einem toten Planeten nicht leben. Nahrung, Unterkunft und Luft zum Atmen müssen endlich Priorität haben, und das über die Grenzen Deutschlands hinaus.
4. Realistisch sein
Wir sind alle abhängig und gewöhnt an relativen Komfort. Das Problem schön reden übernehmen bereits die Grünen. Man muss keine Konsumalternativen schaffen, die dann eben ein wenig besser sind. Das ist Greenwashing und verschweigt die Wahrheit. Man hat weder ein Recht auf einen Malleurlaub, noch auf Bratwurst noch auf ein Privatauto noch auf einen Flachbildschirmfernseher. Es ist Minute 15 in einem Katastrophenfilm, allerdings gibt es in der Realität keine Held*innen, die uns alle retten werden. Es ist Zeit, Angst zu haben und zwar so richtig. Es ist Zeit Angst zu haben, dass wir bald alles verlieren, was uns lieb ist und dass selbst unsere existentiellsten Grundrechte in größter Gefahr sind.
Alles andere ist ignorant, verlogen oder naiv. Es ist nicht Zeit für Hoffnung, sondern Revolution. Es ist keine Zeit für Versprechen, sondern für Vernunft. Niemand wird die Welt für uns retten, aber sicher ist, dass wir die Einzigen sind, die mit den Instrumenten, Idealen und hoffentlich auch dem Willen ausgestattet sind, um es zu wagen und - dem Problem entsprechend - endlich für einen radikalen Wandel zu kämpfen statt nur Parolen zu wiederholen.
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