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Friedrich Neunhöffer, Stuttgart

Hilfe für Arbeitslose

Liebe Genossinnen und Genossen, wenn wir den Arbeitslosen wirklich helfen wollen, müssen wir neue Wege beschreiten. Erlaubt einem alten Mann, etwas auszuholen.

Als ich noch lehrte, war ich mit meinen Studierenden des Verwaltungsfachs im Arbeitsamt Stuttgart. Der Referent, der stellvertretende Leiter, sprach erst auf ausdrückliche Nachfrage über die Arbeitslosen. Sinngemäß sagte er:

Wir unterscheiden vier typische Vermittlungshindernisse:

  • über 50
  • nicht gesund
  • keine abgeschlossene Ausbildung
  • über ein Jahr arbeitslos.

Und jetzt raten Sie, wie viel Prozent der Stuttgarter Arbeitslosen eines dieser Hindernisse haben.

Es waren 83 Prozent. Und 17 Prozent hatten alle vier. Die Sprachprobleme vieler Zuwanderer und einige atypische Hindernisse sind da noch nicht gerechnet.

Das ist jetzt lange her, aber es dürfte heute nicht viel anders sein. Arbeitskräfte werden hier vielfach gesucht: In der Lokomotivführung, an der Fleisch- und Wursttheke, in der Kranken- und Altenpflege, in der Lehre usw. Man findet leichter einen Arbeitsplatz als eine Wohnung - wenn man fit ist. Und trotzdem hat die Stadt Arbeitslose - 14.471, das sind 4,2 %, bei 7.059 offenen Stellen.

Es gibt inzwischen einige Hilfsmöglichkeiten, aber sie genügen offenbar nicht.

Für Behinderte gibt es eine Pflicht-Beschäftigungsquote, deren Nichteinhaltung auch sanktioniert wird, allerdings zu schwach.

Mein Vorschlag: Schwervermittelbare mit Behinderten gleichstellen. Die Behindertenquote erhöhen z.B. auf zehn Prozent, die Sanktionen verschärfen.

Die Einzelheiten (genaue Voraussetzungen der Gleichstellung, Höhe der Quoten und der Sanktionen) wären noch zu diskutieren, auch mit Fachleuten. Es kann auch sinnvoll sein, schrittweise vorzugehen. Dafür ist Zeit, wenn wir in der Regierung sind und den Apparat zur Verfügung haben. Aber das Prinzip sollten wir ins Programm aufnehmen.

Meinen Vorschlag sehe ich nicht als Allheilmittel. Sicher gibt es Gegenden, wo es einfach an Stellen fehlt. Aber Hilfe für schwer Vermittelbare würde uns gut anstehen.

Die Arbeitgeber sind es nun einmal, die in unserer Gesellschaft Arbeitsplätze vergeben. Daher müssen sie auch die Verantwortung dafür übernehmen, Schwächere einzugliedern. Von selbst tun sie das nicht; der Wettbewerb drängt sie eher in Richtung olympiareife Belegschaft. Daher braucht es das Gesetz.

Friedrich Neunhöffer, Stuttgart, Mitglied seit der Fusion von WASG und PDS.

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