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Sprecherinnenrat LISA NRW

Nicht die Genossinnen müssen sich ändern, sondern die Spielregeln…

Die Macht ist männlich… Ein Beitrag vom Sprecherinnenrat LISA NRW

2020 sind in NRW Kommunalwahlen. Hier lohnt sich ein Blick auf die bisherigen Strukturen:

  • Beim Frauenanteil an den Mandaten der Kreistage und der Gemeinderäte in NRW zeigen sich große Unterschiede: Während der Kreistag von Höxter mit 14 % den geringsten Frauenanteil hat, sind in Dortmund 39 % der Mandatsträger*innen weiblich. Insgesamt ergibt sich ein Schnitt von 30 % Frauenanteil in den Kommunalparlamenten in NRW. Die Höhe des Frauenanteils hängt übrigens nicht unbedingt davon ab, wie städtisch die Region ist. So weist Borken einen Frauenanteil von 38 % aus, in der kreisfreien Stadt Solingen lassen sich die Bürger*innen nur von 27 % Frauenanteil im Gemeinderat vertreten lassen.
  • In NRW regieren in 396 Kommunen Ober- oder Bürgermeister*innen und in 31 Landkreisen Landrätinnen und Landräte. In Zahlen: 45 der 373 Bürgermeister*innen sind weiblich. Unter den 23 Oberbürgermeister*innen gibt es nur eine Frau, in Köln. Die 31 Landkreise werden ebenfalls bis auf eine Ausnahme (Soest) von Männern regiert.

So überrascht es nicht, dass auf der ver.di-Landesbezirksfrauenkonferenz NRW folgender Antrag zur Abstimmung kam und angenommen wurde:

„Die Hälfte der Erde, die Hälfte des Himmels, die Hälfte der Macht – Parität auch im Parlament!

ver.di setzt sich für ein Paritäts-Gesetz mit verbindlichen Frauenquoten bei der Aufstellung von Wahllisten ein. Ein Paritäts-Gesetz soll alle Parteien verpflichten:

  • ihre Wahllisten abwechselnd mit einer Frau und einem Mann zu besetzen
  • weitergehend in ihren Statuten einen verbindlichen Frauenanteil von 50 Prozent für alle parteilichen Funktionen und Mandate aufzunehmen
  • bei den Direktkandidaturen im Wahlkreis/Stimmkreis Frauen und Männer in gleicher Zahl aufzustellen und auf chancenreiche Listenplätze zu setzen
  • eine innerparteiliche Kultur z.B. hinsichtlich Kommunikation, Sitzungsabläufen und Führungsverhalten zu fördern,  die es Frauen erleichtert und ermöglicht, Funktionen und Mandate zu übernehmen“

Wir beziehen uns auf die letzte Forderung des Beschlusses und überlegen, was das für uns als Partei bedeutet.

Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert, sind weniger in Parteien aktiv bzw. erscheint ihnen politische Arbeit nicht attraktiv. Anders sieht es im Ehrenamt aus: Vor allem Frauen mit Kindern im Haushalt sind freiwillig engagiert. 54 % der Frauen zwischen 25 und 54 Jahren mit Kindern arbeiten ehrenamtlich – vor allem in Schule, KiTa, Religion und Kirche sowie im gesundheitlichen und sozialen Bereich. Bei den gleichaltrigen Männern sind es 52,2 %, auch mit Kindern im Haushalt. Hier sind es eher die Bereiche Sport, Politik, Unfall- und Rettungsdienst und bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Ist also das Interesse von Frauen an Politik weniger ausgeprägt als bei Männern? Ein Blick auf die Wahlbeteiligung zeigt, dass diese These wenig aussagekräftig ist. Bei Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen gibt es in der Wahlbeteiligung von Männern und Frauen keine großen Unterschiede.

 

Die Linke – eine feministische Partei?

Die Linke versteht sich als sozialistische und feministische Partei, die patriarchale und kapitalistische Verhältnisse überwinden will. So steht es im Programm. Wir Linke haben eine Vision einer gerechten Gesellschaft, die sich von allen anderen Parteien abhebt. Das gilt auch für unsere Vision der Gleichstellung von Frauen und Männern. Das heißt nicht, dass Frauen am herrschenden Männerbild gemessen werden, sondern Gleichstellung für alle und alles: Wir wollen Lebenszeit, Lohn- und Sorgearbeit, Zeit für Politik, Freund*innen, Bekannte, Familie und die eigene Weiterentwicklung gerecht zwischen den Geschlechtern verteilen. Dazu fordern wir eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit für ein gutes Leben für alle.

Inhaltlich lässt das Programm also viel Raum für feministische Interventionen und politische Einmischung von Frauen: Aber: der Frauenanteil am 31.12.2018 beträgt 36 %, entspricht also nicht dem Anteil von Frauen an der Bevölkerung, der ca. 51 % beträgt. In NRW haben wir einen Frauenanteil von nur 29 %. Warum ist das so? Warum sind in der Linken weniger Frauen organisiert als Männer, warum wählen weniger Frauen die Linke?

Einschub: das gilt nicht für die Gewerkschaftsmitglieder: Hoffnungsvoll macht, dass bei den Bundestagswahlen 2017 10 % der männlichen Gewerkschaftsmitglieder die Linke gewählt haben und bei den weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern 13 %. Das ist auch ein Ergebnis unserer Politik der vergangenen Jahre, bei der wir in Arbeitskämpfen präsent waren, wie etwa an Kliniken, bei denen wir mit für eine bessere Personalausstattung in Krankenhäusern gekämpft haben.

Um dem Anspruch gerecht zu werden eine feministische Partei zu sein, hat die Linke Instrumente entwickelt. Wir haben Doppelspitzen aus Frauen und Männern in der Bundestagsfraktion und in der Partei auf Bundesebene und in fast allen Ländern. Alle Gremien sind nach Geschlecht quotiert, wir führen quotierte Redelisten. Bei jedem Parteitag findet ein Frauenplenum der weiblichen Delegierten statt, bei der sich die Genossinnen über wichtige Punkte verständigen. Außerdem haben wir in fast allen Landesverbänden eine eigene feministische Struktur. Bei uns in NRW ist es LISA. In diesen feministischen Strukturen können sich Frauen vernetzen, kreativ sein, Spaß an der Politik haben und gemeinsam Projekte entwickeln.

Das alleine reicht allerdings nicht aus. Zwar werden Kreisvorstände quotiert gewählt – zur Not bleiben die sogenannten Frauenplätze frei – über Jahre. Hier gibt es Lücken, die zu schließen sind. Wir haben eine Satzung, die fortzuentwickeln ist. Nicht nur die Parteistruktur auch die Parteikultur muss feminisiert werden.

Was muss passieren, damit sich mehr Frauen in und für die Linke engagieren?

In NRW haben wir dazu Veranstaltungen gemacht und die Genossinnen folgendes gefragt:

  1. „In unserer Partei gibt es genügend Situationen, in denen Politik Spaß macht. Ich habe ausreichend Gelegenheit, mich konstruktiv einzubringen.“ Hier konnte gepunktet werden auf einer Skala von 1 bis 10. Die Punkte waren gleichmäßig verteilt zwischen 2 und 9 Punkten, also durchweg gemischt.
  2. „Politische Termine (Gremiensitzungen u.a.) sind so organisiert, dass ich sie gut und gerne wahrnehmen kann. Ich kann politisches Engagement gut in Balance bringen mit meinem Alltag und anderen mit wichtigen Themen.“ Hier wurde fast nur zwischen 0 (keine Zustimmung) und 5 gepunktet. Nur ein Punkt fand seinen Platz bei 8.
  3. „Ich finde die Regeln zur Gleichstellung wie Quotierung der Funktionen, quotierte Redeliste, offiziellen Sprachgebrauch sinnvoll und gut.“ Hier gab es nur Punktevergaben zwischen 8 und 10 (volle Zustimmung)
  4. „In der LINKEN erlebe ich eine feministische Kultur über die Formalien hinaus. Die Genossen verhalten sich meist emanzipiert. Ich erlebe wenig tradierte Verhaltensweisen wie männliche Dominanz (Gesprächsanteile, Mansplaining usw.). Die meisten Frauen bringen sich aktiv ein. Insgesamt erlebe ich die Gesprächs-/Debattenkultur als wertschätzend, partizipativ und solidarisch.“ Hier wurden alle Punkte gleichermaßen von 0 (keine Zustimmung) bis 5 gepunktet.

Was können Ansätze sein?

Wir wollen eine andere Sitzungskultur entwickeln. Wir brauchen eine Sitzungskultur, an der auch Frauen, die ja meistens zu Hause die Sorgearbeit erledigen, teilnehmen können. Da gibt es ganz profane Dinge wie eine Kinderbetreuung, die vorhanden sein muss. Und zwar eine gute Kinderbetreuung mit ausgebildetem Personal, vernünftigen Räumen und einem Spielplatz in der Nähe. Und die Genossen können an sich und der Debattenkultur arbeiten. Männer haben ja – nicht nur bei uns - auch die Angewohnheit, das zu widerholen, was die Vorrednerinnen gesagt haben oder sich nur auf Männer zu beziehen. Viele Genossinnen haben sich angewöhnt, dies auf den Sitzungen zu thematisieren. Es gilt, eine andere Sicht auf unsere Sitzungen und Veranstaltungen zu entwickeln. Noch immer gibt es Veranstaltungen, die nicht quotiert besetzt sind und bei denen dann eine Genossin als Moderatorin als Alibi genutzt wird. Dass muss aufhören. Wir haben genug fähige Genossinnen, die zu allen Themen Stellung nehmen können. Und Befähigung muss nicht an eine formale im Bildungssystem erworbene Qualifikation gebunden sein.

Wir schlagen vor, gemeinsam Methoden zu finden, die nicht mehr auf Konkurrenz  untereinander und Personalisierung von Erfolgen ausgerichtet sind, sondern auf Kooperation und Versachlichung. Dazu müssen wir gemeinsam neue Praxen entwickeln, die es Mitgliedern leicht machen gleichberechtigt mitzuarbeiten, sich dabei politisch zu entwickeln und nicht zuletzt auch Spaß an der politischen Arbeit zu haben. Hilfreich könnte dabei eine Enthierarchisierung der Arbeitsweise in der Partei wirken: Arbeitsgruppen statt aufgeblähter Vorstände, Mitglieder ermächtigen sich selbst für ein politisches Projekt….Die sozialen Bewegungen zeigen uns schon lange, wie so etwas geht.

Also: auch bei uns müssen die von Genossen über Jahrzehnte geprägten Strukturen verändert werden. Dazu gehören andere Sitzungszeiten, Angebote für Kinderbetreuung, ein Verzicht auf Hinterzimmerpolitik und eine kooperative Arbeitsweise. Nicht nur die Genossinnen, auch die Genossen können davon profitieren.

Und, was hat das alles mit unserer Strategie zu tun? Wir meinen sehr viel: Eine Partei, die ihre politischen Grundsätze nach innen umsetzt wirkt glaubwürdig, zieht Frauen (und Männer) an und verändert die Lebensrealität schon Stück für Stück durch ihre tägliche Praxis.

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