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Bernd Riexinger

Partei eines sozialen und ökologischen Systemwandels – Thesen zur Zukunft der LINKEN

Ich bin überzeugt, dass es nach den Wahlniederlagen der letzten Monate ein großes Bedürfnis nach Diskussionen über den weiteren Kurs unserer Partei gibt. Das ist gut und wichtig. Wir sind eine plurale Partei und die Menschen, mit denen und für die wir Politik machen, sind sehr unterschiedlich. Aber es muss uns gelingen, eine klare, verlässliche und wiedererkennbare Linie im Zentrum der Partei zu haben und über die müssen wir uns verständigen. Zugleich gibt es bei den Wenigsten ein Bedürfnis nach alten und neuen Grabenkämpfen und öffentlich ausgetragenen Streitereien. Inhaltliche Klärungsprozesse und Debatten können unserer Partei nützen. Sie leben davon, dass sich möglichst viele Mitglieder mit Beiträgen und Vorschlägen daran beteiligen.

Wir stehen vor neuen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, die jedoch auch Chancen für linke Politik eröffnen. Dazu gehört die Verfestigung und teilweise Verschärfung der sozialen Spaltung. Die globalen Spannungen und Kriegsgefahren sind akut und wir stehen vor einer Wirtschaftskrise, zumindest vor dem Ende eines lang anhaltenden Aufschwungs. Neue soziale und politische Bewegungen, etwa in der Klima- und Mietenfrage, entstehen. Politisch ist die Gesellschaft schon lange nicht mehr so mobilisiert gewesen. Die soziale Spaltung, die Klimakrise und der Aufstieg der autoritären Rechten führen zu einer Polarisierung der Gesellschaft, die nicht entlang einer Frage verläuft.

Bislang profitieren davon die Grünen, weil sie zu einer Projektionsfläche unterschiedlicher Teile der Gesellschaft werden, die sich Veränderungen und eine bessere Zukunft wünscht, ohne einen Konflikt mit den wirtschaftlich Mächtigen zu suchen. Die Politik der Grünen schillert zwischen Sozialdemokratie light, Klientelpolitik für Besserverdienende und ökologischer Modernisierung des Kapitalismus. So lässt sich weder das Klima retten, noch eine bessere Zukunft für die Mehrheit erringen. Die gesellschaftliche Funktion der LINKEN ist es demgegenüber, die Interessen der Lohnabhängigen ins Zentrum zu stellen, die jeden Tag ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um leben zu können, – ohne dem Missverständnis aufzusitzen, dass die Interessen der Lohnabhängigen sich nur um Lohn und Arbeit drehen. Die grundlegende Aufgabe der Linken, für gesellschaftliche Voraussetzungen zu kämpfen, die den Prinzipien der französischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Solidarität für alle Menschen zur Realität verhelfen, muss heute erweitert werden um Ökologie und Demokratie.

1. Veränderungen sind Machtfragen. Macht erwächst aus Verankerung

Auch bei Wahlen sind wir dort stark, wo wir mehr aktive Mitglieder haben. Die weitere Verankerung unserer Partei in der Gesellschaft ist unsere größte Herausforderung. Wir haben hier strategisch wichtige Felder identifiziert: Beschäftigte vor allem in Gesundheit/Pflege, prekäre Sektoren, einkommensarme Nachbarschaften, Kommunen und im Jugendbereich. Damit sind wir vielerorts und als Gesamtpartei vorangekommen. Davon zeugen viele neue junge Mitglieder, überdurchschnittliche Wahlergebnisse in diesen Sektoren, lebendige Stadtteil- und Mieteninitiativen. Trotzdem ist hier noch Luft nach oben: Unser Ziel muss es sein, in den nächsten Jahren zu einer Partei mit 100 000 Mitgliedern zu werden. Der Parteiaufbau muss daher für die Bundespartei und die Landesverbände Priorität haben, gerade im Osten. Ein Schlüssel dafür ist einladende Parteikultur und organisierende Arbeit, die wir mit Kampagnen, Stadtteilarbeit und Erweiterung unserer Bildungsarbeit in vielen Kreisverbänden in den letzten Jahren gestärkt haben.

2. Die Strategie der LINKEN erweitern

Die Strategie in den Gründungsjahren, die SPD nach links zu treiben, um so mittelfristig wieder eine sozialstaatliche Politik durchzusetzen, ist an ihre Grenzen geraten. DIE LINKE muss die Stimme für soziale Gerechtigkeit sein, die die SPD nicht mehr ist – ohne sozialdemokratisch zu werden. Sie ist eine eigenständige Kraft und muss ihre Begründung und ihren strategischen Anker nicht in einer anderen Partei und auch nicht in der Vergangenheit finden. Daher darf die LINKE sich auch nicht als Ergänzung zu den Grünen aufstellen. Unsere Funktion ist, organisierende Partei für konkrete Veränderungen in den Nachbarschaften und Kommunen, in den Ländern wie bundesweit zu sein; Motor für einen grundlegenden Politikwechsel; realistische aber grundlegende Alternative und Adresse für alle, die Zweifel daran haben, dass der Kapitalismus eine bessere Zukunft für die Menschen hierzulande und global ermöglicht.

Erstens geht es darum, vorhandenem oder entstehendem Protest eine Stimme zu geben. Dabei bleiben wir nicht stehen, sondern setzen durch Organisierung und Druck konkrete Verbesserungen durch. DIE LINKE ist Organisatorin und Motor für Proteste und eine Heimat für Menschen, die sich wehren wollen. Dafür müssen wir in zwei bis drei exemplarischen Fragen (etwa der Auseinandersetzung um bezahlbare Mieten und einen bundesweiten Mietendeckel, Kampf gegen den Pflegenotstand) Schwerpunkte setzen. Diese Punkte müssen wir nicht neu erfinden, sie liegen auf der Straße, sie stehen bereits im Mittelpunkt der Arbeit der LINKEN. Ob aus der Opposition oder in Regierung – ohne gesellschaftlichen Druck und Organisierung geht es nicht.

Zweitens sind wir die einzige glaubhafte Alternative zur GroKo oder schwarz-grün(-gelb) und ihrer Neuauflage eines grün modernisierten Kapitalismus. Das schließt die Perspektive einer linken Mehrheit ein. Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Ohne eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und der Parteien, kann ein „Mitte-links“-Bündnis im Bund keinen grundlegenden sozialen, ökologischen und friedenspolitischen Richtungswechsel durchsetzen. Wir kämpfen um gesellschaftliche Mehrheiten und den Aufbau von Macht durch Organisierung, Verankerung in unseren Kommunen, Betrieben und Gewerkschaften, durch starke soziale Bewegungen. Aufgabe der LINKEN ist, diese Interessen und Bewegungen politisch und praktisch zu verbinden.

Der Aufstieg der Grünen verbessert zunächst mal nicht die Bedingungen für große Sprünge.  Mittelfristig aber haben wir gute Chancen, wenn wir unser Profil schärfen, erweitern und die linken Wählerinnen und Wähler der Grünen für uns gewinnen. Wir sind die einzige Partei, die den Kampf um soziale Gerechtigkeit, konsequenten Klimaschutz, wirkliche Demokratie und Frieden verbindet. Eine bessere Zukunft für die Mehrheit der Menschen ist nur möglich, wenn wir eine andere Wirtschaftspolitik und Einstiege in einen sozialen und klimagerechten Systemwandel durchsetzen. Nur so werden wir autoritäre Entwicklungen stoppen und die Rechten nachhaltig schwächen.

Dafür brauchen wir ein politisches Projekt, das die Elemente soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zusammenführt und einen strategischen Anker bildet. In den USA hat Bernie Sanders einen Green New Deal vorgelegt, der eine Abkehr von fossiler Energie und massive Investitionen in alternative Energie und öffentliche Daseinsvorsorge beinhaltet. Ähnlich ambitioniert ist der Green New Deal von Labour in Großbritannien. In Deutschland versuchen die Grünen den Begriff für sich zu reklamieren, schlagen aber in keiner Weise einen alternativen Pfad für die Wirtschaft vor. M.E. wäre dagegen einLinker Green New Dealnotwendig. Ein Gesellschaftsvertrag, der verschiedene Schwerpunkte in ein gesellschaftliches Projekt einordnet: Kampf um höhere Löhne, gute und sinnvolle Arbeit und mehr Zeit zum Leben; soziale Absicherung und öffentliche Infrastruktur für alle; Energie- und Mobilitätswende; sozialökologischer Umbau der Wirtschaft. Damit können wir verschiedene gesellschaftliche Akteure – Klimaschutzbewegung, Lohnabhängige, Gewerkschaften – zusammenbringen und deutlich machen, dass wir die Zukunft nicht den Konzernen überlassen. Jetzt ist es noch möglich, diesen Begriff von links zu besetzen. Unsere Kampagnen und Initiativen lassen sich gut in ein solches Projekt zusammenführen und sind Teil eines gesamtgesellschaftlichen und politischen Veränderungs-Projektes.

3. Verbindende Klassenpolitik statt verkürzte Milieudebatte

Die Interessen der Arbeitenden stehen im Zentrum linker Politik. Deshalb streiten wir für höhere Löhne, Tarifverträge für alle, gute Arbeitsbedingungen, für kürzere Arbeitszeiten, bessere Arbeitsrechte, mehr Mitbestimmung und Demokratie. Im Neoliberalismus wurden die Spaltungen zwischen den Klassen und Beschäftigten vertieft. Die Rechte versucht seit Jahren, diese Spaltungen identitätspolitisch aufzuladen, um für ihre Plattformen zu mobilisieren, die den Menschen materiell nichts außer Nachteile bringen. Ob in den USA, den europäischen Nachbarländern oder in Deutschland mit dem Aufstieg der AfD: antimuslimischer Rassismus spielt dabei eine zentrale Rolle.

Die bürgerliche Sozialwissenschaft verdoppelt die sozialen und kulturellen Spaltungen in ihrem Sprechen von unterschiedlichen „Milieus“ – und meint damit vor allem Einstellungsmuster. Die Aufgabe der Linken war schon immer und ist es jetzt erst recht, gemeinsame Interessen der Mehrheit zu formulieren, die unterschiedlichen Gruppen zu verbinden und über die Spaltungen von oben hinweg Brücken zu bauen. Das ist nicht einfach, und es geht nicht nur um die richtige Losung oder das richtige Plakat. Hinter diesen Anspruch aber kann DIE LINKE nicht zurück, wenn sie sich nicht aufgeben will.

Es gibt keinen Dissens, dass wir für diejenigen Politik machen, die unter den Bedingungen des heutigen Kapitalismus am meisten leiden müssen. Es ist in der Geschichte nicht ungewöhnlich, dass auch rechte oder konservative Parteien Beschäftigte und Arme für sich gewinnen können. Wer daraus einfach schließt, der Fehler müsse darin liegen, dass DIE LINKE die Beschäftigten aufgegeben hat, macht sich nicht die Mühe einer gründlichen Analyse. Wir müssen den Spaltungs- und Ausgrenzungsprozessen mit verbindender Klassenpolitik entgegenarbeiten und Konzepte und Forderungen in den Vordergrund stellen, die gemeinsame Interessen und Gruppen der Beschäftigten miteinander verbinden. Nur dann können wir stärker werden.

Gute Konzepte und mediale Präsenz alleine reichen nicht. Wir müssen unsere Verankerung bei Beschäftigten und in den Gewerkschaften voranbringen – und dazu beitragen, dass Gewerkschaften schlagkräftiger werden. Auch das machen wir nicht nur, indem wir die Forderungen der Gewerkschaften verstärken. Wir befördern linke Vernetzungen in den Gewerkschaften und nehmen eine aktive Rolle ein, was die Strategien in Streiks und Auseinandersetzungen betrifft. Der Einfluss der LINKEN im Pflegekampf und bei der Entwicklung neuer Streikformen im Einzelhandel war zum Beispiel erheblich. Mit unserer Initiative „Arbeit, die zum Leben passt – höhere Löhne, weniger Stress“ wollen wir uns im Niedriglohnbereich, besonders in den Branchen Handel, Logistik, Paketzustellung, stärker verankern.

4. Den Kampf um öffentliche Güter offensiv führen, in der Stadt wie auf dem Land.

Klassenpolitik dreht sich nicht nur um Arbeit, sondern um die Reproduktion des Lebens, um den „sozialen Lohn“, um die gesellschaftlichen Eigentumsverhältnisse: Der Kampf um öffentliche Güter in zentralen Feldern des privaten und gesellschaftlichen Lebens ist entscheidend für die Lebensqualität und den sozialen Wohlstand der Mehrheit der Bevölkerung. Der Zugang zu guter Erziehung und Bildung, zu wohnortnaher Gesundheitsversorgung, gut ausgebautem ÖPNV, bezahlbarem Wohnraum, ist eine elementare gesellschaftliche Auseinandersetzung geworden. Die neoliberale Politik der letzten 30 Jahre hat große Mängel, Defizite und Verwüstungen in diesen Feldern offenbart. Für die Rückgewinnung bzw. Stärkung des öffentlichen Eigentums an Versorgungswirtschaft von Energie bis LAN-Netzen werden Kämpfe geführt und entstehen Bewegungen.

Dabei geht es gerade auf dem Feld der öffentlichen Güter um Eigentums- und Systemfragen, um die Überlegenheit gesellschaftlichen Eigentums und demokratischer Planung über Privatbesitz und Profitmaximierung. Deshalb machen wir die Frage des öffentlichen Eigentums und der Rekommunalisierung zu einem Schwerpunkt linker Kommunalpolitik und lokaler Aktionen.

Beim Wohnen verbinden sich der Kampf um berechtigte Interessen an bezahlbarem Wohnraum mit Visionen für lebenswerte Städte (und Dörfer), Gerechtigkeitsfragen mit Kritik an Spekulation und Kapitalismus. DIE LINKE kann hier konkrete Alternativen stärken, im Bund, in den Ländern und kommunal und bei der Organisierung in den Nachbarschaften, in den Kreisverbänden. Wir haben die große Chance, uns als Partei, die konsequent für die Interessen der Mieterinnen und Mieter kämpft, zu etablieren. Die beiden zentralen Kampagnen der Partei sind also strategisch gut aufgestellt und gehen im Herbst in die nächste Phase.

5. Klimaschutz ist eine soziale und eine Überlebensfrage

Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sind keine Gegensätze. Im Gegenteil, Klimaschutz ist zugleich eine soziale und eine Klassenfrage. 100 Konzerne sind für 70 Prozent der CO²-Emissionen verantwortlich. Der ökologische Fußabdruck steigt mit dem Einkommen. Klimagerechtigkeit heißt in Deutschland, für eine sozial gerechte, treibhausgasfreie Volkswirtschaft einzutreten, die allen Menschen nützt.  Linke Klimapolitik ist zugleich Sozial- und Friedenspolitik. Es geht um eine andere Wirtschaftsweise. Wir kämpfen dafür, dass die Verantwortlichen und Profiteure die Kosten bezahlen und nicht die Mehrheit der Bevölkerung.

Zentraler Teil des Klimaschutzes ist die Mobilitätswende. Hier kann DIE LINKE führende Kraft in einer zentralen Zukunftsfrage werden. Immer mehr Menschen wollen Alternativen zur Abhängigkeit vom Autoverkehr. Die Mobilitätswende wird eine gesellschaftliche Schlüsselauseinandersetzung der nächsten Jahre. Dabei stehen sich die Profitinteressen der Automobilindustrie und der Internetkonzerne auf der einen und die ökologischen Interessen der Einwohner*innen und Arbeitsplatzinteressen der Beschäftigten gegenüber. Gleichzeitig wird die Frage möglicherweise die nächste große Spaltungslinie, auch bei den Beschäftigten. Zu Recht gibt es Sorgen um vergleichsweise gut bezahlte Industriearbeitsplätze. Die Zulieferindustrie wird bei jedem Szenario der Mobilitätswende erschüttert werden. Damit sie nicht das neue Hinterland der AfD wird, brauchen wir solidarische und ökologische Perspektiven für eine gute Zukunft. Denn die Antwort auf die Sorgen der Beschäftigten kann ähnlich wie bei der Kohleindustrie nicht einfach sein, die klimaschädliche Industrie zu verlängern. Wir kämpfen dafür, dass sich die Beschäftigten nicht zwischen ihrem Job und der Zukunft ihrer Kinder entscheiden müssen. Es geht um gerechte Übergänge, die ein besseres Leben für alle ermöglichen.

Wir haben einen Stufenplan für den Ausbau und Gebührenfreiheit des ÖPNV in die öffentliche Debatte gebracht, ebenso ein Konzept für eine bessere und billigere Bahn. Das bedeutet gleichzeitig Kapazitäten in umweltfreundlichen Industrien aufzubauen. Dafür wollen wir auch vor Ort Mehrheiten erringen, Brücken zwischen der Klimabewegung, der Bevölkerung und den Beschäftigten im ÖPNV bauen. Dazu bietet die kommende Tarifauseinandersetzung im Verkehrsbereich eine gute Gelegenheit. Noch in diesem Jahr werden  wir ein Konzept zum Umbau der Automobilindustrie zu ökologisch nachhaltigen Mobilitätsbetrieben, mit Beschäftigungsgarantien, vorstellen.

6. Linke Wirtschaftspolitik: Einstiege in sozialökologisches Wirtschaften

Das Ende eines ungewöhnlich langen Wirtschaftsaufschwungs fällt zusammen mit grundlegenden Transformationsprozessen in der Industrie. Der Kampf um neue Verwertungs- und Absatzmärkte, um neue Leittechnologien (Elektromotorisierung, Digitalisierung) und öffentliche Investitionen und Fördermittel ist längst im Gange. Er wird auch die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit und die Bedeutung der Gewerkschaften maßgeblich beeinflussen. Schon jetzt kommt es zu Entlassungen, der Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen wird weiter steigen. Die Umbrüche durch die Digitalisierung werden auch große Teile der Logistik und des Dienstleistungsbereiches erfassen.

Die Transformation der Wirtschaft ist eine Schlüsselfrage für linke Politik und DIE LINKE. Gegen die Antworten der Rechten (autoritärer Kapitalismus und Leugnen des Klimawandels) und der Grünen für eine ökologische Modernisierung des Kapitalismus, ist es Aufgabe der LINKEN, einer anderen, sozial gerechten, ökologischen und demokratischen Wirtschaftsweise den Boden zu bereiten. Das ist nicht konfliktfrei zu haben. Einstiege in eine ökologische Produktionsweise mit langlebigen Produkten, die Abkehr vom Exportmodell durch höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten mit Lohnausgleich, Geschlechtergerechtigkeit und tarifliche wie soziale Absicherung durch nachhaltige Investitionen ins Öffentliche und Einschränkung der Konzernmacht werden nur in neuen gesellschaftlichen Kämpfen und Bündnissen gegen die geschlossene Phalanx der Konzerne und ihrer politischen Lobby durchzusetzen sein. Diese zu organisieren und zu verbreitern, ist unsere Aufgabe. Gerade in den Automobilzentren und industriellen Regionen werden wir verstärkt Diskussionsangebote an Betriebsräte und aktive Gewerkschafter*innen machen und Vorschläge eines sozialökologischen Umbaus unterbreiten. Es geht darum, Vertrauen in linke Zukunftsentwürfe zu schaffen und die bevorstehenden Kämpfe um gute Arbeit und Klimaschutz zu unterstützen.

7. Der Kampf gegen Rechtsradikalismus, Faschismus und Rassismus ist eine Daueraufgabe linker Politik

Die dramatischen Wahlerfolge der AfD in Sachsen und Brandenburg machen deutlich, dass der Kampf gegen das Erstarken der Rechten weiterhin eine wichtige Kernaufgabe der LINKEN ist. Trotz aller berechtigten Angst und Sorgen, sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass es weiter eine deutliche Mehrheit in der Gesellschaft gibt, die nicht rechts wählt. Die Herausforderung für linke Politik ist es, gesellschaftliche Brandmauern gegen die AfD aufzubauen (um sie zu isolieren, reichen die Kräfte der LINKEN nicht), und zugleich Menschen für eine linke Politik zu gewinnen. Das schließt ein, der AfD nicht die Rolle der sozialen Protestpartei zu überlassen, weder im Osten noch woanders. Es geht darum, gesellschaftliche Konflikte um soziale Fragen zu führen und klares politisches Profil zu zeigen. Die Diskussion in der LINKEN spiegelt oftmals die Debatte in der (linken) Sozialwissenschaft, ob der Aufstieg der Rechten als Ergebnis von gesellschaftlichen Desintegrationsprozessen zu verstehen ist, also dass die Menschen das Gefühl haben, dass sie nicht bekommen, was ihnen zustehen würde. Oder ob ein genuiner Rassismus im Kern vorhanden ist und im Vordergrund steht. Meines Erachtens ist die Gegenüberstellung für unsere Strategie wenig hilfreich.

So wenig alle AfD-Wähler Rechtsradikale sind, so wenig ist auch das Gegenteil richtig. Untersuchungen zeigen, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung ein rechtes Weltbild haben. 70 Prozent der AfD-Wählerinnen und -Wähler in Sachsen gaben an, die AfD aufgrund programmatischer Forderungen gewählt zu haben, nicht wegen eines Denkzettels für andere. Rassistische Denkweisen (etwa die Ablehnung von Muslimen) sind darüber hinaus verbreitet. Die Konjunkturen von Rassismus und seine öffentliche Mobilisierungsfähigkeit kann nicht ohne die gesellschaftlichen Prozesse verstanden – oder bekämpft – werden, die ihnen Vorschub leisten.

Flucht und Migration sind dabei fester Bestandteil des globalisierten Kapitalismus und werden durch die Klimakrise eher noch verstärkt. Die Rechten werden das weiterhin nutzen, um Ängste zu schüren und ihre rassistischen Positionen zu verbreiten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass DIE LINKE hier einen klaren Kurs fährt und ihre Positionen nicht relativiert.

Protest gegen die Folgen neoliberaler Politik und rassistische Positionen schließen sich als Motive, rechts zu wählen, keineswegs aus. An das eine können wir anknüpfen, an das andere niemals.  Wir machen alternative Deutungen von Schuld und Verantwortung für die gesellschaftliche Verhältnisse stark (Wieviel kosten die Steuerflüchtlinge im Verhältnis? Wer hat den sozialen Wohnungsbau gestoppt?).  Vorurteile und Ressentiments auch unter LINKE-Wählerinnen und Wählern, im Verhältnis zum Islam zum Beispiel, müssen uns zu denken geben. Wir müssen sie bearbeiten, ohne ihnen nachzugeben. Wir zeigen klare Kante und stärken die Kräfte, die gegen rechts stehen, schließen Bündnisse und organisieren sichtbaren Protest. Bündnisse gegen rechts sind wichtig, ohne dass wir uns dabei mit den Verantwortlichen neoliberaler Politik gemein machen. DIE LINKE muss klare Opposition gegen die Politik der CDU und der GroKo sein, die die soziale Spaltung vertieft haben. Sie tragen die Verantwortung für den Aufstieg der Rechten.

8. Eigentums- und Systemfrage stärker in den Blickpunkt nehmen

Die Auseinandersetzung mit den Rechten können wir nur gewinnen, wenn wir eine realistische und glaubwürdige (System-)Alternative in die gesellschaftliche Diskussion bringen. Das gelingt nicht durch Parolen und Verbalradikalismus. Dafür müssen wir DIE LINKE stärken und an konkreten Einstiegspunkten im Alltag der Menschen ansetzen.

Bei einigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gerät mehr in den Blick, dass tragfähige Lösungen in Widerspruch zu bestehenden Eigentumsverhältnissen stehen. Das Bedürfnis nach bezahlbaren Wohnungen steht im Widerspruch zum Interesse der Immobilienkonzerne, mit Wohnungen Profite zu erzielen. Das Interesse der Automobilkonzerne, möglichst lange und möglichst viele Autos zu verkaufen, behindert ökologisch nachhaltige Mobilitätskonzepte.

Die Klimabewegung und der Aufstieg der Rechten politisiert eine ganze Generation. Es ist nicht überraschend, dass diese Bewegungen derzeit eher die Grünen stärken. Teile der Bewegung werden jedoch die Erfahrung machen, dass der Ansatz der Grünen über die ökologische Modernisierung des Kapitalismus nicht hinausgeht und das Klima so nicht gerettet werden kann. Die Resonanz und Zustimmung zu weitergehenden und grundlegenden Veränderungen, wie sie DIE LINKE vertritt („system change, not climate change“), wird wachsen. Wir müssen jetzt daran arbeiten, unser Profil für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und einen Systemwandel in der Gesellschaft bekannter zu machen und uns in den Klimabewegungen zu verankern.

Auch die weltweiten Umbrüche und Auseinandersetzungen, die zu wachsender Aufrüstung (auch in Deutschland und Europa) führen und die Gefahr von Kriegen erhöhen, verdeutlichen, dass der Kapitalismus die Perspektiven einer friedlichen, sozialen und ökologisch nachhaltigen Welt keinesfalls erfüllen kann. Linke Politik muss die weltweiten Umbrüche und Konfliktlinien in ihre Praxis einbeziehen und einen internationalistischen Horizont behalten. Der Kampf für Frieden und gegen Aufrüstung und Krieg gehört dazu.

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