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Monika Christann und Britta Brandau, Frankfurt/Main

Positionspapier zur Strategiekonferenz DIE LINKE 2020

Lasst uns die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter als Thema setzen.

„Fokus auf Gleichstellung der Geschlechter“

Nach einer Definition der Frauenhaus-Koordinierung e. V. ist (Zitat:) „Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen eine Gewalt, die sich gegen Frauen richtet, weil die Betroffenen weiblichen Geschlechts sind. Gemeint sind damit alle Handlungen, durch die Frauen körperliches, sexuelles oder psychisches Leid erfahren oder wirtschaftlich Schaden nehmen. Schon die Androhung von Gewalt zählt dazu, genauso wie Nötigung oder willkürliche Freiheitsentziehung, ganz gleich ob im öffentlichen Raum oder im Privatleben.“ (Zitatende)

Wir sollten uns bewusst sein, dass geschlechtsspezifische Gewalt in Form von sexueller und sexualisierter Gewalt nicht nur Frauen und Mädchen betrifft, deren Geschlecht – v.a. nach eigener Einschätzung - zur binären Kategorie „Frau“ gehört, sondern dass geschlechtsspezifische Gewalt sich auch gegen Menschen richtet, die sich nicht eindeutig zur Kategorie „Frau“ zählen.

Wir sollten uns auch dessen bewusst sein, dass Gewalt, insbesondere die geschlechtsspezifische Gewalt, unabdingbar für das Weiterbestehen des Patriarchats ist. Sie ist Ausdruck des Unterdrückungsmechanismus, mit dem das Patriarchat über Frauen* herrscht und die Ungleichheit aufrechterhält. Ohne die Ausbeutung der Sexualität von Frauen* und Mädchen* sowie der Kontrolle über die Fruchtbarkeit der Frauen (siehe die §§ 218 und 219) und gleichzeitiger Ausübung von Gewalt hätten wir kein Patriarchat mehr, sondern eine gleichberechtigte Gesellschaft. Die Gewaltausübung erleichtert die Diskriminierung, Ungleichheit und ökonomische Abhängigkeit zwischen den Geschlechtern.

2011 wurde das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ von den Staaten des Europarats (nicht zu verwechseln mit der EU!) unterzeichnet. Weil das Übereinkommen in Istanbul unterzeichnet wurde, wird es im Sprachgebrauch mit „Istanbul-Konvention“ (IK) bezeichnet. Die IK wurde erst nach sechs Jahren von Deutschland ratifiziert und ist seit dem 01.02.2018 in Kraft. Sie hat den Rang eines Bundesgesetzes und ist (insbes.) in den Kommunen sowie auf Länder- und Bundesebene sofort umzusetzen.

Die Erkenntnis des ungleichen Machtverhältnisses zwischen Frauen und Männern ist in der Präambel zur Istanbul-Konvention niedergelegt. Geschlechtsspezifische Gewalt gilt danach nicht nur als schwere Menschenrechtsverletzung, sondern auch als ein Hindernis auf dem Weg zu einer gleichgestellten Gesellschaft. Sie erkennt auch die wirtschaftliche Abhängigkeit als geschlechtsspezifische Gewalt an.

Auszug aus der Präambel der IK:

  1. „(…) in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben;
  1. … in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen als geschlechtsspezifische Gewalt strukturellen Charakter hat, sowie der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen einer der entscheidenden sozialen Mechanismen ist, durch den Frauen in eine untergeordnete Position gegenüber Männern gezwungen werden; (…)“

Die IK ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer gleichgestellten Gesellschaft. Denn – folgt man dem Gedanken, dass bei einer Umsetzung der IK resp. Abschaffung der geschlechtsspezifischen Gewalt eine andere Gesellschaft existiert, weil sie auf einer Gleichwertigkeit zwischen den Geschlechtern beharrt – müssten auch andere strukturelle Gewaltformen beendet sein, die sich auf einem ungleichen Geschlechter-Macht-Verhältnis gründen. Dazu gehören insbesondere:

  • das Lohngefälle zwischen Frauen* und Männern*
  • die ungleiche Bewertung in Bezahlung und Ansehen zwischen technischen und sozialen (typischen Frauenberufen oder bei haushaltsnahen Dienstleistungen)
  • unbezahlte Arbeit, wesentlicher Pfeiler eines Ausbeutungsverhältnisses
  • ein Ungleichverhältnis in Machtpositionen, egal ob in Parteien, Organisationen, Unternehmen, Aufsichtsräten usw.
  • zu diskutieren ist auch, ob Frauen* und Männer*, die Prostitution ausüben, tatsächlich die gleiche Wertschätzung erhalten oder nicht vielmehr diese Tätigkeit nur ausgeübt werden kann, weil sie auf der in der Gesellschaft verbreiteten Annahme von einer Unterlegenheit der Frau* beruht.

Deswegen fordern wir die Partei auf, sich konsequent und fokussiert für die Umsetzung der IK mit ihren vielfältigen Pflichten (insbes. in der Kommune) einzusetzen und die Gleichstellung der Geschlechter verstärkt in den Fokus zu nehmen. Es gibt bisher durchaus gute Ansätze, aber es fehlt noch die Klammer des Systems „Patriarchat“, die an strukturelle Gewalt geht, denn zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Patriarchats erfolgt der Einsatz psychischer, körperlicher, seelischer, sexueller, wirtschaftlicher, politischer und struktureller Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Ergänzt durch entsprechende weltliche bzw. religiöse Ideologien, die die bestehende "natürliche" patriarchale Ordnung der Welt als alternativlos erscheinen lassen.
Lasst uns die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter als Thema setzen.

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