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Siegfried Güthoff, Arnstadt

Thesen zur Strategiedebatte der Partei DIE LINKE

Genossen, Ich will versuchen mit einigen Gedanken einen konstruktiven Beitrag zur Strategiedebatte zu leisten.

  • DIE LINKE muss sich auf ihre Traditionen besinnen. Sozialisten haben zu allen Zeiten die Vision von einer neuen, besseren Gesellschaft gehabt und haben für sie gekämpft und sind für ihre Verwirklichung gestorben. DIE LINKE braucht auch eine solche Vision! Die hohen mehrstufigen Wahlverluste DER LIKEN sind wesentlich mit darauf zurückzuführen, dass immer mehr Menschen den Glauben daran verloren haben, dass DIE LINKE willens und fähig ist, eine bessere Gesellschaft als den neoliberalen, ungebremsten Kapitalismus zu entwerfen und Schritt für Schritt zu gestalten. Man hört immer wieder: „Der Sozialismus in der DDR und in der Sowjetunion haben nicht funktioniert. Bisher kann niemand sagen wie eine bessere Gesellschaft als der Kapitalismus funktionieren soll“. Dazu kommt: Soziale Korrekturen machen inzwischen auch CDU und SPD, sicher unter dem politischen Druck der Umstände und DER LINKEN. Das verringert die Unterscheidbarkeit DER LINKEN von den neoliberalen Kräften.

            DIE LINKE braucht also eine eigene Vision vom Übergang in eine neue, bessere Gesellschaft, die die Menschen verstehen und unterstützen.!

  • Wir müssen aus der Ratlosigkeit heraus, wie wir uns als LINKE eine neue bessere Gesellschaft vorstellen. Engels wies wissenschaftlich nach, dass die Elemente des Feudalismus und des Kapitalismus bereits in der jeweils vorhergehenden Gesellschaft gewachsen sind und sie Basis des Überganges in die nächste Gesellschaftsform wurden. Das gilt auch für die kommende Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung. Diese wird nicht der Demokratische Sozialismus, sondern ein staatlich regulierter Kapitalismus sein.                                                        
  • Die Interessen der Privatwirtschaft kollidieren an vielen Stellen mit dem Gemeinwohl und den Interessen der Mehrheit der Bürger, weil ihre Zielfunktion die Profitmaximierung ist. Bereits heute kann man beobachten, dass die Auswirkungen der Produktions-, Austausch- und Verteilungsweise des ungebremsten Kapitalismus auf die Bürger und Kommunen so gravierend negativ sind, dass allenortes der Widerstand von Bürgern und Kommunen sichtbar werden und es immer häufiger zu Protestbewegungen kommt. Die Verhältnisse schreien nach Regulierung der Wirtschaft durch den Staat.

Die Profitmaximierung erzwingt die Konzentration der Produktion in grossen Wirtschaftszentren und Industriegebieten (München, Stuttart, Hamburg, Berlin, aber auch Erfurter Kreuz). Sie werden umgeben von Städten und Dörfern, in denen die Geschäfte der Grundversorgung, die Gaststätten, die Sparkassenfilialen, die      Arztpraxen, die Schulen, die Kindergärten und die Kulturhäuser geschlossen wurden. Die jungen Leute zogen aus ihnen weg, die Bevolkerung ist überaltert.

Das Grundgesetz, das gleiche Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands vorsieht, wurde von der Wirtschaft völlig missachtet. Muss da nicht der Staat regulierend eingreifen

Im Moment ist auf Betreiben der Gesundheitsindustrie eine Umstrukturierung des Gesundheitswesens im Gang. Die Profitmaximierung verlangt die Konzentration der Krankenhausbehandlung in immer grösseren Einheiten, verbunden mit ihrer Spzialisierung. Die Bestrebungen laufen darauf hinaus in allen Bundesländern Grosskrankenhäuser zu errichten, die Klein- und Kreiskrankenhäuser zu schliessen und so durch Steigerung der Fallzahlen, der Gerätediagnostik und der Anzahl der Operationen den Eigentümern mit industrieller Arbeitsorganisation zu märchenhaften Profiten zu verhelfen.

Ist es da nicht Aufgabe des Staates das Krankenhausnetz zu planen und auf die Bedürfnisse der Bevölkerung abzustimmen? Muss der Staat nicht gemeinsam mit  den Ärzten und Patienten entscheiden, welche Grundversorgung die Kreis- und spezialisierten Kleinkrankenhäuser auch in Zukunft leisten müssen? Muss der Staat     als Organisator des Gemeinwohls nicht dafür sorgen, dass der Patient in der industriellen Arbeitsweise der Grosskrankenhäuse weiter als Mensch und micht als       zu bearbeitendedes Material behandelt wird? Schaut Euch das Universitätsklinikum          Jena an. Die Verhältnisse dort schreien nach einer Regulierung durch den Staat. Sobald das Geld im Kasten klingt, stört im Krankenhaus nur noch der Patient.

Die Interessen der Autoindustrie haben in Deutschland das Verkehrswesen deformiert. Das Streckennetz der Eisenbahn wurde eingeschränkt, Bahnhöfe wurden geschlossen. Das Strassennetz wurde einseitig ausgebaut. Deutschland ist Autoland. In den Ballungszentren wurde eine Verkehrsdichte    erreicht, die zu ständigen Staus und Unfällen führt. Arbeitskräfte werden ökonomisch gezwungen täglich bis 100 km weit zu pendeln. Sie verbringen jährlich      Wochen ihres Lebens auf der Strasse und im Stau. Anwohner der viel befahrenen Strassen leiden unter den Abgaskonzentrationen. Kinder sind gesundheits- gefährdet, sie athmen in Auspuffhöhe. Waren, die in allen Bundesländern produziert werden, werden auf den Strassen überflüssiger Weise durch ganz Deutschland   kutschiert. Die Betriebe haben ihre Lager auf die Ladeflächen der LKW verlagert.

Ist das nicht ein schizophrener Zustand? Ob der Staat als Hüter des Gemeinwohl nicht die Aufgabe hat, die Standortverteilung der Produktivkräfte, die Siedlungsentwicklung und die Verkehrswege menschengerecht zu planen und ihre Errichtung zu regulieren?

 

Wer viel Profit machen will, der muss viel verkaufen. Dafür ist eine Verpackung nötig, die die Ware über grosse Entfernungen schützt, billig ist und auf der man Werbung gut platzieren kann. Die Wirtschaft hat einen Verpackungswahn entwickelt. Es wird zwei- und dreifach verpackt. Kombinationswerkstoffe verhindern das Recycling und die Werbung erfordert oft Mehrfachverpackung. Die Müllverbrennung verschlechtert die Abgasbilanz der Umwelt und Wohnsiedlungen fürchten die Geruchs- und Abgasbelästigung. So werden viele Abfälle einfach im Meer verklappt oder in Billiglohnländer und Länder mit niedrigen Umwelstandards exportiert. Wo bleibt eigentlich der Müll von Kreuzfahrtschiffen mit 7000   Passagieren?

Ist es da nicht geboten, dass der Staat die Müllentstehung bei den Produzenten durch Gesetze und strenge Kontrollen reguliert, seine Beseitigung überwacht und Umweltstraftaten hart bestraft?

 

Die Handelsketten beherrschen den Lebensmittelmarkt. Im Inreresse von  Maximalprofiten drücken sie die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe und zwingen diese ökonomisch zu Massentierhaltung, Grossproduktion und Chemisierung des Pflanzenschutzes. Veredlung der Futtermittel zu Rind- und    Schweinefleich schafft den Landwirten ein erhöhtes Einkommen. Also entsteht durch den Preisdruck auf die Bauern eine erhöhte Fleischproduktion. Die Landwirte blockieren den Verkehr und protestieren vor den Behörden, weil sie von den Erlösen ihrer Wirtschaften nicht leben können. Ärzte beklagen die Übergewichtigkeit    der Bevölkerung. Die Lebensmittelindustrie weicht unter dem Preisdruck der Handelsketten auf hohe und billige Zuckeranteile der Lebensmittel aus. Die Bürger werden von den Medien über die Gesundheitsschädlichkeit von zu viel Zucker im Essen belehrt, veröffentlichen aber gleichzeitig Werbung für stark zuckerhaltige Produkte. Die Kinder begreifen das alles nicht, Zucker schmeckt eben gut. So hat das Handeln der Handelskonzerne weitreichende Auswirkungen auf die Menschen.

Kann man es da zulassen, dass eine Landwirtschaftsministerin die Verantwortung nicht bei sich, sondern beim Vertraucher sieht? Müssen wir die Vorstellungen der Landwirtschaftsministerin von den Aufgaben des Staates nicht korrigieren? Müssen          wir nicht darauf dringen, dass Minister fachlich so qualifiziert sind, dass sie die   Dinge verstehen und statt dumm zu schwätzen regieren?

 

In Deutschland ist das Vermögen extrem ungleich verteilt. 10 % der Bürger besitzen über 70 % des Geldvermögens und täglich gibt es über 200 neue Euromillionäre.

Was werden wohl unsere Enkel einmal dazu sagen, dass wir das als normal hingenommen und geduldet haben? Warum nehmen wir den Staat als Träger des Gemeinwohls nicht in die Pflicht und verlangen, dass er die Verteilung neu reguliert?

 

Die Beispiele könnte man endlos fortsetzen. DIE LINKE hat die grosse Aufgabe, gemeinsam mit den sie unterstützenden politischen Kräften die Regulierung der Wirtschaft durch den Staat einzufordern und Schritt für Schritt durchzusetzen. Wir würden dadurch einen grossen Schritt in eine neue, bessere Gesellschaft tun. Es wäre der Schritt von einem anarchischen, menschenmisachtenden Kapitalismus zu einem regulierten, menschenwürdigen Kapitalismus.

Die Verhältnisse zeigen uns den Weg in die neue Gesellschaft auf. Wir müssen nichts erfinden, nichts künstlich konstruieren, wir müssen nur das tun, was die gesellschaftlichen Verhältnisse zur Notwendigkeit machen. Wir müssen die Verhältnisse umstürzen!

 

                                                                                                                                                        

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